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Der verruchte Spion

Der verruchte Spion

Titel: Der verruchte Spion
Autoren: Celeste Bradley
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Niemand schien etwas gegen die Verbindung einzuwenden zu haben, weder der Kerzenmacher noch der Bäcker, noch der grinsende Küfer, der in Windeseile einen hölzernen Torbogen auf dem Anger errichtete, wo der Eid gesprochen werden sollte.
    Offenbar war der winzigen Dorfkirche vor kurzem ein Unglück widerfahren, was einige Dorfbewohner zu beruhigenden Kommentaren wie »Seid unbesorgt, Sir, das wird sich sicher bald legen« veranlasste.
    Nathaniel versuchte mit aller Kraft an etwas anderes zu denken als an das Gebilde auf dem Dorfanger und seine irritierende Ähnlichkeit mit einem Galgen, als er die Dorfbewohner vorsichtig nach Foster befragte. Er erfuhr nur wenig von Bedeutung. Nur, dass ein »feiner Pinkel« die Nacht in der Kutschstation verbracht hatte, die er noch nicht einmal verlassen hatte, um sich an der Suche nach dem verschwundenen Mädchen zu beteiligen. Noch vor Sonnenaufgang war er Richtung Süden aufgebrochen.
    Wie Nathaniel es auch drehte und wendete, so lag Derryton eindeutig nicht auf Wegstrecke von Crestford nach
London. Foster hatte einen höchst merkwürdigen Weg eingeschlagen. Nathaniel war ihm hierher ans Ende von Northamptonshire gefolgt, nordwestlich von Crestford und ohne Zweifel nördlich von London, ohne zu ahnen, wohin der Mann unterwegs war.
    Vielleicht hatte Foster beschlossen, auf den Nebenstra ßen zu bleiben, um nicht so leicht erkannt zu werden. Sein Gesicht war fast so bekannt wie das von Nathaniel, denn sie beide waren in dem berüchtigten politischen Cartoon »Fleur und ihre Gefolgsleute« erschienen.
    Derryton selbst schien kaum Fosters Ziel gewesen zu sein. Das Dorf war zwar wohlhabend, aber keinesfalls voller geschäftigen Treibens. Es war auf seine Weise ein Paradebeispiel für tausende solcher kleiner Ortschaften an den Stra ßen Englands.
    Ein völlig normales Örtchen, dieses Derryton. Mit Ausnahme des Mädchens. Der Sohn des Gastwirtes war hinsichtlich vieler Punkte erstaunlich mundfaul, aber über die ungewöhnliche Miss Trent sprach er gern.
    So stellte sich heraus, dass sie gewissermaßen das Mündel des Gastwirtes und seiner Frau, einer ehemaligen Zofe, war. Die Eltern des Mädchens waren vor einigen Jahren am Fieber verstorben und hatten sie ohne Verwandte zurückgelassen. Das gesamte Dorf hatte sich der zwölfjährigen Willa angenommen.
    Um Nathaniel herum drängten sich nun die Dorfbewohner. Die Frau des Gastwirts huschte mit strahlendem Gesicht und den Armen voll mit einem vergilbten Stoff an ihm vorbei. Trotz der frühen Stunde prostete man ihm unverwandt zu und ließ das »glückliche Paar« hochleben. Die ganze Situation war von einer Schlichtheit, wie Nathaniel sie nur selten erlebt hatte.
    Nein, beschloss er. Foster hatte hier nichts weiter als ein weiches Bett für die Nacht und einen Krug guten Ales für
seine Reise gesucht. Er unterdrückte ein Stöhnen, als er den Kopf von einer Seite auf die andere rollte, um das Pochen zu verringern. Nathaniels Bett war ein grasbewachsener Graben gewesen, und dem Krug mit Ale, der verführerisch vor ihm stand, musste er widerstehen. Er war im Dienst.
    Die Royal Four waren immer im Dienst.
    Als Kobra erwählt zu sein, war eine Auszeichnung, die ihresgleichen suchte. Nathaniel war es eine Ehre, auf diese Weise mit dem Schicksal der Nation betraut zu sein, und es war ihm gleich, ob andere davon wussten. Die Vier waren seit den Zeiten von Wilhelm dem Eroberer aktiv und hatten durch umsichtige Einflussnahme und Wachsamkeit England zu der Macht entwickelt, die es heute war.
    Der nussige Duft des Bieres stieg Nathaniel in die Nase. Es roch köstlich. Traurig schob er den Krug beiseite. Er war die Kobra. Er war nicht der Mann, für den sein Vater ihn hielt, nicht der leichtsinnige Halunke, der zu sein er vorgab.
    Er interessierte sich nicht für Geld, nicht für die Politik, noch nicht einmal für sich selbst.
    Und leider, leider auch nicht für Ale, obgleich ihn noch nie in seinem Leben mehr nach einem Krug davon gedürstet hatte. Sein Schädel pochte erbarmungslos, seine Knochen schmerzten von seinem Sturz, und sein Leben würde sich für immer ändern.
    Noch einmal.
    Heute war der Tag seiner Hochzeit. Er würde eine Fremde zur Frau nehmen.
     
    »Aber ich kenne ihn doch gar nicht! Erwartest du wirklich von mir, dass ich ihn heute heirate?«
    Der Rest von Willas Protesten war nicht mehr zu hören, als Moira, die Frau von John Smith, das leicht vergilbte Brautkleid über ihren Kopf zog. Offenbar erwarteten sie es von ihr. Die
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