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Der verlorne Sohn

Der verlorne Sohn

Titel: Der verlorne Sohn
Autoren: Karl May
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Monate im Gefängnisse umsehen durfte. Auch der Director der Claqueurs erhielt eine Gefängnißstrafe, während Herr Kunstmaler und Balletmeister Arthur eine sehr ernste Verwarnung mit nach Hause nahm.
    Alle Mitglieder der Bande des Hauptmannes waren entdeckt worden und Jeder erhielt eine seiner Theilnahme angemessene Strafe. Auch Theodolinde von Tannenstein wanderte in das Zuchthaus. Man hat nie wieder etwas von ihr gehört.
    Was nun die Baronin Ella betrifft, so war sie ihrem Vorsatze, sich an ihrem Manne zu rächen, treu geblieben. Sie hatte Alles entdeckt und Alles gestanden und damit manche Schwierigkeit aus dem Wege geräumt und in so manches Dunkel Licht gebracht. In Rücksicht auf dies ihr offenes Geständniß war sie zwar zum Tode verurtheilt worden, doch war man überzeugt, daß der König sie begnadigen werde. Aber am Tage nach dem Urtheilsspruche meldeten die Blätter, daß Baronin Ella todt sei. Sie hatte ein Fenster ihrer Zelle zerbrochen und sich mit einem Glassplitter die Pulsader geöffnet.
    Ihr Mann, Baron Franz, wurde wirklich hingerichtet und zwar öffentlich, auf dem Marktplatze, vor einer nach vielen Tausenden zählenden Volksmenge. Er starb eines schrecklichen Todes, wimmernd wie ein Kind, die Henkerskechte mußten ihn tragen, so schwach war er vor Feigheit und Angst.
    Jetzt gab es Frieden und Ruhe im Lande. In der Hauptstadt herrschte die vollste Sicherheit und im Gebirge schien man das Paschen ganz verlernt zu haben.
    Es war natürlich, daß die Personen, welche sich im Unglück zusammengefunden hatten, jetzt im Glück daran dachten, sich für immer mit einander zu vereinigen. Alle Welt wußte, daß Brandt, der Försterssohn, in Kurzem die Baronesse Alma von Helfenstein heirathen werde. Wo aber würde die Hochzeit stattfinden? Das wußte Alma selbst noch nicht.
    Sie hatte in dieser Beziehung dem Geliebten schon manche Frage vorgelegt, er hatte ausweichend geantwortet. Sie solle sich nur vorbereiten, in Beziehung auf ihre Toilette und alles Andere, den Ort aber werde er selbst dann bestimmen.
    So verging die Zeit. Eigenthümlicher Weise gab es jetzt recht viele Brautpaare, welche nicht wußten, wo sie die Hochzeit feiern sollten. Hätte man mehr in sie gedrungen, so hätte man vielleicht erfahren, daß Brandt, der frühere Fürst von Befour, daran schuld sei. Er hatte alle diese Paare in heimlicher Weise in Beschlag genommen.
    Da kam die Rede wieder einmal auf das neue Schloß, welches Brandt bauen ließ, und Alma bat, es sehen zu dürfen, obgleich es noch lange nicht fertig sei.
    »Gut,« antwortete er, »fahren wir übermorgen hinauf. Die Bahn bringt uns nach Brückenau und dann nehmen wir Pferde.«
    So geschah es. Als sie sich im Bahncoupee gegenübersaßen, lächelte er so eigenthümlich geheimniß-und verheißungsvoll vor sich hin, daß es ihr auffallen mußte.
    »Du hältst mir irgend etwas verborgen, lieber Gustav?« sagte sie. »Gestehe es!«
    »Ja, ich will es Dir gestehen«, antwortete er.
    »Was ist es?«
    »Ein Glück. Warte nur noch kurze Zeit.«
    Als sie in Brückenau anlangten, hielt eine prachtvolle Equipage, mit vier echten Arabern bespannt, vor dem Perron. Brandt führte die Geliebte zu dem Wagen.
    »Ist er Dein?« fragte sie.
    »Nein, Dein, mein Herz. Was Du jetzt anblickst, sobald wir die Stadt verlassen, ist Alles Dein.«
    Im Galopp ging es von dannen. Bald sahen sie rechts den Gottes-Segen-Schacht liegen. Vor dem Orte gab es einen hohen Triumphbogen. Da stand der Pfarrer, der alte Förster Wunderlich und auch Eduard Hauser an der Spitze der ganzen Gemeinde, um die Herrschaft willkommen zu heißen. Böller krachten und die Glocken läuteten. Sie stiegen aus.
    »Das überrascht mich,« sagte Alma.
    »Diese ganzen Ländereien gehören uns. Ich habe sie gekauft,« erklärte er.
    Der alte, brave Wunderlich drückte dem einstigen »Vetter Arndt« kräftig die Hand. Er sowohl, wie Hauser und der Pfarrer wurden von Brandt für morgen zur Hochzeit geladen. Alma hörte das.
    »Hochzeit? Morgen?« fragte sie. »Bei wem?«
    »Das ahnst Du nicht?« antwortete er zärtlich.
    »Etwa bei uns?« lächelte sie. »Das ist unmöglich.«
    »Wollen sehen!«
    Sie fuhren weiter. Nach einer Weile ließ er mitten im Walde, mitten auf der Straße halten. Da führte links ein schmaler Fußweg in das Gebüsch hinein. Er ergriff Alma’s Arm und schlug diesen Weg mit ihr ein.
    Sie fragte nicht, sie ließ ihn gewähren.
    Der Weg führte immer steiler und steiler bergan. Alma blieb zuweilen für einen
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