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Der verkaufte Patient

Titel: Der verkaufte Patient
Autoren: Renate Hartwig
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eines renditeorientierten Systems umschulen. Noch operieren die Investoren im Hintergrund, agieren als Partner von Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen. Aber diese Verhältnisse sind in den USA längst an der Tagesordnung, und sie nahen mit atemberaubender Geschwindigkeit. Wann werden bei uns dieMarkennamen der Pharmariesen und Gesundheitsunternehmen auf den Kitteln der Ärzte und Pfleger prangen?
     
    *
     
    Ein kleiner Hinweis noch, bevor es losgeht: Für dieses Buch sollten Sie einen
grünen
und einen
roten
Stift bereitlegen. Bei allem, was Sie in Zukunft noch haben wollen, machen Sie einen grünen Punkt an den Rand, bei allem, was Sie ablehnen, einen roten.
    Finden Sie es beispielsweise eine tolle Idee, dass Sie in Zukunft über ein Callcenter Ihrer Krankenkasse betreut werden statt von Ihrem Hausarzt, machen Sie einen grünen Punkt an die Seite. Wenn Sie das allerdings für Schwachsinn 3 (sprich: Schwachsinn hoch drei) halten, dann setzen Sie einen roten Punkt. Sie führen damit ein einfaches und überschaubares
Punktesystem
ein, um das Sie jeder Kassenarzt beneidet. Denn bei allem, was Ärzte an Patienten diagnostisch und therapeutisch tun, müssen sie »Punkte« notieren; das ist die Grundlage des Abrechnungsverfahrens mit den Krankenkassen. Mit Recht halten die Ärzte das für Schwachsinn 3 ; sie zahlen bei diesem System, zu dem sie durch die Kassenärztlichen Vereinigungen gezwungen werden, Punkt für Punkt drauf.
    Ihr Punktesystem allerdings lohnt sich. Denn aus der Addition der Dos and Don’ts ergeben sich klare politische Forderungen, an denen Sie Politiker und Parteien messen können. Dass ein Callcenter besser als ein Hausarzt ist – davon ist derzeit nämlich die Politik überzeugt, auch wenn 99 % der Bevölkerung dies wahrscheinlich für Schwachsinn 3 halten. Trotzdem wird es durchgesetzt – ohne jede Rücksicht auf Ihre Wünsche und Bedürfnisse. Ein Querdenker im Politikgeschäft, Friedrich Merz, hat von den »sog. Gesundheitsreformen« gesprochen, weshalb er auch wohl auch raus ist aus diesem Geschäft. Ich stimme ihm zu, zumindest in diesem Punkt. Warum, das werden Sie sehen, wenn Sie dieses Buch lesen.

KAPITEL 1
Warum wir wissen sollten,
was ein »Patient« und was ein »Arzt« ist
     
    W enn das eintritt, was sich gerade am Horizont abzeichnet, wird es in zehn Jahren in Deutschland keine freien, niedergelassenen Ärzte und keine Patienten im herkömmlichen Sinn mehr geben. In zehn Jahren werden »Ärzte« ferngesteuerte Gesundheitstechniker im Dienst börsennotierten Kapitalgesellschaften sein, und Patienten werden die »Kunden« dieser Firmen sein. Was hat das für Konsequenzen? Vielleicht sagen Sie: Na, die Leute werden immer krank sein, ob man sie nun »Patienten« oder wie auch immer nennt. Und was kann es denn schaden, wenn ein bisschen mehr Service in deutsche Praxen und Kliniken einzieht? Welcher Patient hat nicht schon einmal erlebt, dass ihn ein Arzt arrogant abfertigte? Könnten sich nicht manche Halbgötter in Weiß einmal eine Scheibe abschneiden bei der Achtung und Wertschätzung, die Dienstleister ihren Kunden entgegenbringen? Und was soll schlimm daran sein, wenn Ärzte nicht mehr auf eigene Rechnung kurieren, sondern Angestellte eines Unternehmens sind? Ändert das etwas an den Heileffekten, ob der Therapeut nun ein freier Arzt ist oder einer mit einem Käppi, auf dem »Kaiser Permanente« oder »Pfizer« steht.
    Wenn Sie so denken, muss ich Ihnen entschieden widersprechen: Es ist ein Unterschied wie Tag und Nacht. Um das zu verstehen, muss man einen klaren Begriff davon haben, was das ist – ein »Patient«, ein »Arzt« …
Ein denkwürdiger Arztbesuch
     
    Es ist noch nicht lange her, dass ich über diese Frage nachdenke. Es begann an einem Abend im Januar 2007, an dem ich aufgrund einiger Beschwerden meinen Hausarzt aufsuchte. Heute sind wir gute Freunde. Damals war ich die »Patientin«, er der »Arzt«. Normalerweise bin ich für meine Fähigkeit bekannt, die Dinge auf den Punkt zu bringen. Aber das war dieses Mal nicht so einfach. Es ging um meine angegriffenen Stimmbänder nach einer Angina und diverse andere Beschwerden. Nach meinem laienhaften Verstand konnten die regelmäßig auftretenden Phänomene eigentlich nichts mit der Angina zu tun haben. Aber man soll einem Arzt ja
alles
sagen, damit er sich ein Bild machen kann. Vielleicht ist ja gerade ein bestimmtes Detail für den Arzt der Schlüssel zur Diagnose. Wozu gehe ich denn zu ihm hin? Wenn ich
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