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Der vergessene Tempel

Der vergessene Tempel

Titel: Der vergessene Tempel
Autoren: Tom Harper
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Belzig an. Er erinnerte sich an Molhos fehlende Hand und die grauenhaft zugerichtete Leiche, die sie im Nachtclub in Piräus vorgefunden hatten. Er erinnerte sich an Marinas Erzählungen über Belzigs Machenschaften auf Kreta. Und vor allem dachte er an das Grinsen auf der Fotografie. Die Monster, die die alten Griechen in die Unterwelt zu bannen versucht hatten – die Hydra, die Gorgonen, Basilisken und Zyklopen –, wandelten noch immer auf der Erde. Der Mann vor ihm, mit dem Ausschlag im Gesicht und dem schlechtsitzenden Anzug, war eines von ihnen.
    «Klar», sagte Jackson. «Wozu die Vergangenheit wieder ans Licht zerren. Wenn Sie uns helfen, hier rauszukommen, verspreche ich Ihnen ein Ticket erster Klasse in die USA. Vielleicht finden wir sogar einen Job im Smithsonian für Sie.»
    «Und der Schild – werden Sie ihn schützen?»
    «Beim Grab meiner Mutter.»
    Das schien Belzig zufriedenzustellen. Er zog ein Taschenmesser hervor und ging hinter Jackson in die Hocke. Augenblicke später waren Jacksons Hände frei. Er rieb sich die Handgelenke, dann griff er nach dem Colt, während Belzig die Übrigen losschnitt. Grant nahm den Webley. Es war ein gutes Gefühl, sein Gewicht wieder in der Hand zu spüren.
    «Also, wir gehen folgendermaßen vor.»

    Korporal Iwan Serotow lehnte sich an die Wand, seine Maschinenpistole fest im Griff. Er schmachtete nach einer Zigarette, widerstand jedoch der Versuchung, denn er wusste, was ihm blühte, wenn der Oberst ihn jetzt beim Rauchen erwischte. Er konnte es noch aushalten. Sie hatten den Tempel beinahe fertig ausgeräumt: Gerade schleppten seine Kameraden den letzten Sack mit Schätzen zur Tür hinaus. Dann stand ihnen noch ein kurzer Flug nach Odessa bevor, um ihre Fracht abzuliefern, und anschließend zwei Wochen am Sandstrand von Jewpatorija. Er fragte sich, ob all der schwarze Schrott, den sie hier rausgeschafft hatten, wirklich Gold war. Musste wohl so sein, wenn der Oberst wertvolle Zeit dafür opferte, die Sachen zusammenzusammeln. Es war eine gewaltige Menge. Bestimmt würde niemand einen einzelnen Becher vermissen, wenn er beim Transport verloren ginge. Dafür würde er in Odessa ein paar Rubel bekommen, die er wiederum in Wodka oder Frauen investieren konnte. Die Aussicht entlockte ihm ein Grinsen.
    Er hörte Schritte und drehte sich halb um. Belzig kam aus der Kammer, in der sie die Gefangenen untergebracht hatten. Er trug etwas in den Händen, das aussah wie ein rostiger Helm. Serotow runzelte die Stirn. Er war nicht den weiten Weg nach Berlin marschiert, um sich am Ende von diesem Faschisten herumkommandieren zu lassen. Wenigstens würde er sie auf dem Rückflug nicht mehr belasten. Kurchosow hatte unmissverständlich klargemacht, wie mit ihm zu verfahren war.
    Belzig blieb stehen und wies mit einer Kopfbewegung hinter sich. «Da sind noch mehr Schätze», sagte er in gebrochenem Russisch. «Sie sollten Kurchosow Bescheid sagen.»
    In Serotows Kopf entwickelte sich ein höchst unmarxistischer Gedanke. Er drehte sich um und warf einen Blick durch den Türrahmen. Drei der Gefangenen – der Amerikaner, der alte Mann und die Frau – saßen an der hinteren Wand, die Hände hinter dem Rücken. Der Vierte …
    Ohne Vorwarnung bekam er einen heftigen Stoß in den Rücken, sodass er in die Kammer taumelte. Er stolperte über etwas und stürzte nach vorn. Dabei ließ er seine Waffe fallen und streckte die Arme aus, um sich abzufangen – doch da war kein Boden. Er fiel mit dem Gesicht voran in die Grube und landete mit einem Aufschrei auf den Knochen, die wie spitze Pfähle vom Grund aufragten. Das Letzte, was er sah, war ein Paar gewaltiger Hörner dicht vor seinen Augen. Dann prallte etwas Schweres auf ihn, ein Arm umklammerte seinen Hals – dann wurde es finster.

    Grant stieg aus der Grube und wischte das Messer an seiner Hose ab. Seine Hände waren blutverschmiert. Er warf einen Blick durch die Tür zu Belzig. «Ist die Luft rein?»
    Irritiert blickte er in die kleinen, müden Augen, die vor Verwirrung geweitet waren. «Ja – nein.» Belzig schüttelte den Kopf. «Sie sind weg.»
    «Was?» Grant hob die Maschinenpistole auf und drückte sie Marina in die Hände. «Gib mir Feuerschutz.» Tief geduckt sprang er durch die Tür, rollte sich nach links ab und richtete den Webley in die Hauptkammer.
    Der Raum war leer. In der Mitte stand auf einer Holzkiste eine Kerosinlaterne, und der in Decken verpackte Schild lehnte neben dem Eingang an der Wand, doch es war kein
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