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Der verbotene Schlüssel

Titel: Der verbotene Schlüssel
Autoren: Ralf Isau
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eierten und schepperten die sieben Halbkugeln immer heftiger. Die Sphärenmusik war zu einem grässlichen Missklang geworden.
    Theo kniete sich neben den verletzten Freund. Seine Lippen formten Lykos’ Namen. Hören konnte Sophia seine Stimme nicht.
    Unterdessen sammelte sich vor ihnen das letzte Aufgebot des Gegners. Der Ausfall ihrer gefährlichsten Mitstreiterin kümmerte das Häuflein Automanten und Gliederpuppen nicht – sie kannten ja keine Trauer und kein Mitgefühl. Also bildeten sie ohne Zögern um die beiden Rebellen an der Sphärenumgrenzung einen Halbkreis, der sich schnell zusammenzog. Mehrere Automanten holten mit ihren Speeren aus …
    Dies war das Letzte, was Sophia von Mekanis sah, denn einen Wimpernschlag, bevor die sieben Sphären stehen blieben, wurde sie aus der Welt gerissen.

37
    S ophias Herz fühlte sich wie ein schmerzender Knoten in der Brust an, während sie Theo beobachtete. Sie strich ihm tröstend über den Rücken. Mit trauriger Miene streichelte er seinen kleinen Freund Arki. Immer wieder wanderte sein tränenverhangener Blick zu dem demolierten Wolf, der neben Nicos Ziffernblatttisch auf dem Perserteppich lag.
    Im Moment des Übergangs hatte Sophia ihre Hand in Lykos’ Pelz vergraben und ihn dadurch mit in die Menschenwelt hinübergebracht. Unmittelbar danach hatten sich die Welten umgestülpt, der kosmische Mechanismus war stehen geblieben. Hoffentlich zum letzten Mal.
    Der graue Jäger hatte sich seitdem nicht mehr gerührt. Sein Leben war erloschen.
    Nicht weniger tragisch und noch überraschender war Arkis Weltenwechsel. Als in der Halle der Sieben Goldenen Sphären alles drunter und drüber ging, hatte er sich wohl nicht mehr aus dem Rucksack herausgewagt. Jetzt war auch er in der Menschenwelt gelandet. Der Wechsel hatte ihn verändert. Äußerlich sah er noch genauso aus wie in Mekanis, aber das Leben schien ihn ebenfalls verlassen zu haben. Er rührte sich nicht und gab nicht den kleinsten Mucks von sich.
    Vermutlich hatte der vereinte Wille von Theo und Sophia bewirkt, dass sie direkt in die Wohnung des italienisch-schweizerischen Uhrmachers zurückgekehrt waren. Oder ihr Wunsch, für Lykos Hilfe zu bekommen? Vom Doctor Mechanicae, dem wohl einzigen Mann auf Erden, der mit Maschinen wie mit lebenden Wesen umging? Jetzt jedenfalls saßen sie mit ihren Freunden im Wohnzimmer von Nico dei Rossi. Gerade hatte Sophia ihre Erlebnisse geschildert. Nun war es still im Raum, sah man einmal von den tickenden Uhren und einer herumschwirrenden Stubenfliege ab.
    »Darf ich ihn mir mal ansehen?«, fragte Nico endlich. Seine altersfleckige Hand streckte sich nach dem Goldbären aus.
    Theo seufzte und reichte seinen kleinen Freund weiter.
    Laura griff nach der freien Hand ihres Mannes. »Dieser Bär ist nicht von dieser Welt, Schatz. Du hast so etwas noch nie gemacht.«
    Nico lächelte. »Es wird mich nicht umbringen, Täubchen.«
    Sie nickte und zog ihre Hand wieder zurück.
    Der Uhrmacher bettete den Bär in seine hohle Linke und strich ihm über den Bauch, als sei Arki ein Baby, das es zu beruhigen galt. Dabei ist er doch schon ruhig, wunderte sich Sophia. Ruhiger, als Theo und mir lieb ist. Noch seltsamer kam es ihr vor, dass Nico dem Bären plötzlich ein Liedchen zu summen begann. »Der Kleine hat wahrlich Schlimmes durchgemacht«, sagte der Alte leise. Danach summte er weiter. Der verklärte Ausdruck auf seinem Gesicht war ein bisschen unheimlich.
    Plötzlich zuckte eines von Arkis Beinen.
    Nico war nicht anzumerken, ob er davon überhaupt Notiz genommen hatte. Er summte und streichelte das runde Bäuchlein.
    Als sich mit einem Mal auch die anderen Glieder Arkis bewegten und er kurz darauf die Augen aufschlug, war das Staunen im Wohnzimmer der Dei Rossis groß. Es kam Sophia so vor, als würden alle Uhren vor Freude ein bisschen schneller ticken. Und vielleicht war das ja wirklich so. Hier im Reich des Doctor Mechanicae schien ja alles möglich zu sein.
    »Wer bist du?«, fragte der kleine Bär. Seine helle Stimme hatte sich nicht verändert.
    »Ich bin Meister Nico. Und hier bei mir sind ein paar Freunde von dir, die sich über dein Erwachen freuen werden.« Nico stupste den Goldbären an, damit er sich aufrichtete und sich umsah.
    Als der Winzling Theo und Sophia erblickte, war er ganz aus dem Häuschen. Er rutschte an Nicos Hosenbein auf den Teppich hinab und wackelte zu Theo hinüber. Der hob ihn auf, und die zwei begrüßten sich, als hätten sie einander seit Ewigkeiten
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