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Der verborgene Garten - Der verborgene Garten - The Forgotten Garden

Titel: Der verborgene Garten - Der verborgene Garten - The Forgotten Garden
Autoren: Kate Morton
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hatte.
    Endlich war Eliza zu Hause.
     
     
     
    An dem Tag, als das Schiff ablegen sollte, waren Eliza und Ivory schon frühzeitig unterwegs, um Einkäufe zu erledigen. Eliza kaufte einige Kleidungsstücke, eine Haarbürste und einen kleinen Koffer, um die Sachen unterzubringen. Ganz unten im Koffer verstaute sie einen Briefumschlag, der einige Banknoten und einen Zettel mit Marys Adresse in Polperro enthielt - für alle Fälle. Der Koffer hatte genau die richtige Größe, dass ein Kind ihn tragen konnte, und Ivory war begeistert. Sie hielt ihn fest umklammert, während Eliza sie durch die Menschenmenge auf dem Dock führte.
    Überall herrschte emsiges Treiben und Lärm: pfeifende Lokomotiven, Rauchwolken, Kräne, die Kinderwagen, Fahrräder und Grammofone an Bord hievten. Ivory musste lachen, als sie an einer Herde blökender Ziegen und Schafe vorbeikamen, die in den Schiffsbauch verfrachtet wurden. Sie trug das hübschere der beiden Kleider, die Eliza ihr gekauft hatte, und sah aus wie das typische kleine Mädchen aus wohlhabendem Haus, das seine Tante auf eine lange Schiffsreise verabschiedet. Als sie die Landungsbrücke erreichten, hielt Eliza dem Offizier ihre Bordkarte hin.
    »Willkommen an Bord, Madam«, sagte er und nickte, dass seine Uniformmütze hüpfte.
    Eliza erwiderte das Nicken. »Es ist mir ein Vergnügen, eine Reise
auf Ihrem prächtigen Schiff gebucht zu haben«, sagte sie. »Meine Nichte ist genauso aufgeregt wie ihre Tante. Sehen Sie, sie hat sogar ihr eigenes Köfferchen mitgebracht, so als würde sie selbst auf Reisen gehen.«
    »Dir gefallen wohl große Schiffe, was, kleine Miss?«, bemerkte der Offizier.
    Ivory nickte und lächelte, sagte aber nichts. Genau wie Eliza es ihr aufgetragen hatte.
    »Mein Bruder und meine Schwägerin warten da unten am Kai«, sagte Eliza und winkte in Richtung der anwachsenden Menge. »Sie haben doch bestimmt nichts dagegen, wenn ich meine kleine Nichte mal kurz mit an Deck nehme, um ihr meine Kabine zu zeigen?«
    Der Offizier warf einen Blick auf die Schlange der Passagiere, die immer länger wurde.
    »Es dauert nicht lange«, sagte Eliza. »Es würde dem Kind eine solche Freude bereiten.«
    »Na meinetwegen«, erwiderte er. »Bringen Sie sie nur rechtzeitig wieder zurück.« Er zwinkerte Ivory zu. »Ich fürchte, deine Eltern würden dich vermissen, wenn du ohne sie verreisen würdest.«
    Eliza nahm Ivory an der Hand und ging die Landungsbrücke hinauf.
    Überall Menschen, laute Stimmen, klatschende Wellen, Nebelhörner. Das Schiffsorchester spielte eine schwungvolle Melodie auf dem Deck, während Zimmermädchen in alle Richtungen eilten, Postjungen Telegramme zustellten und blasierte Pagen mit wichtigtuerischer Miene Schokolade und kleine Präsente für die Passagiere herumtrugen.
    Anstatt dem Chefsteward ins Innere des Schiffs zu folgen, führte Eliza Ivory über das Deck zu einem Stapel hölzerner Fässer. Sie bugsierte die Kleine hinter die Fässer und hockte sich vor sie, sodass ihre Röcke sich auf den Deckplanken ausbreiteten. Ivory war völlig fasziniert. Noch nie hatte sie so viele Menschen gesehen und
ein so geschäftiges Treiben erlebt und sie blickte aufgeregt in alle Richtungen.
    »Du musst hier warten«, sagte Eliza. »Rühr dich nicht von der Stelle. Ich bin bald wieder zurück.« Sie zögerte und warf einen Blick zum Himmel. Über ihnen kreisten die Möwen mit aufmerksamen schwarzen Augen. »Warte hier auf mich, hörst du?«
    Ivory nickte.
    »Du bist doch gut im Verstecken, oder?«
    »Natürlich.«
    »Das ist ein Spiel, das wir spielen.« Als Eliza diese Worte aussprach, sah sie Sammy vor ihrem geistigen Auge, und ihr lief ein Schauer über den Rücken.
    »Ich spiele gern.«
    Eliza schluckte und verscheuchte das Bild. Dieses kleine Mädchen war nicht Sammy. Sie spielten nicht den Ripper. Alles würde gut werden. »Ich komme bald wieder zu dir zurück.«
    »Wohin gehst du?«
    »Ich muss mich noch von jemandem verabschieden und etwas abholen, bevor das Schiff ablegt.«
    »Was denn?«
    »Meine Vergangenheit«, sagte sie. »Meine Zukunft.« Sie lächelte kurz. »Meine Familie.«
     
     
     
    Während die Kutsche in Richtung Blackhurst holperte, lichtete sich der Nebel in Elizas Kopf. Allmählich kam sie wieder zu sich: Schaukeln, dumpfes Hufgetrappel, muffiger Geruch.
    Sie zwang sich, die Augen zu öffnen, blinzelte. Schwarze Schatten lösten sich in staubigen Lichtstrahlen auf. Als sie versuchte, ihren Blick zu fokussieren, wäre sie beinahe wieder
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