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Der verborgene Garten - Der verborgene Garten - The Forgotten Garden

Titel: Der verborgene Garten - Der verborgene Garten - The Forgotten Garden
Autoren: Kate Morton
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Märchenbuch vor, das das kleine Mädchen so sehr liebte, Märchen von blinden alten Weiblein und Waisenkindern und von langen Reisen über das Meer. Und er achtete immer darauf, dass es ihr Geheimnis blieb und Mama nichts davon erfuhr.
    Das Mädchen verstand, dass sie Geheimnisse vor Mama haben mussten. Mama ging es nicht gut, sie war schon kränklich gewesen, bevor das Mädchen geboren wurde. Großmama ermahnte es stets, brav zu sein, denn, so betonte sie immer wieder, wenn Mama sich aufregte, könne etwas Schlimmes passieren, und dann sei es seine Schuld. Das Mädchen hatte seine Mutter lieb, und da es sie nicht traurig machen wollte und auch nicht wollte, dass ihr etwas zustieß, wahrte es seine Geheimnisse. Es erzählte nichts von den Märchen, verschwieg, dass es manchmal in der Nähe des Labyrinths spielte und dass Papa es hin und wieder zu einem Besuch bei der Autorin in dem kleinen Haus am Ende des Anwesens mitnahm.

    »Aha!« Eine Stimme ertönte ganz in der Nähe. »Hab ich dich gefunden!« Das Fass wurde zur Seite geschoben, und das kleine Mädchen blinzelte in die Sonne, bis der Besitzer der Stimme sich ins Licht stellte. Es war ein großer Junge von acht oder neun Jahren. »Du bist nicht Sally«, sagte er.
    Das Mädchen schüttelte den Kopf.
    »Wer bist du?«
    Das kleine Mädchen zögerte. Es durfte niemandem seinen Namen nennen. Das war ein Spiel, das die Dame erfunden hatte.
    »Nun?«
    »Das ist ein Geheimnis.«
    Er zog die Nase kraus, sodass seine Sommersprossen dichter zusammenrückten. »Wieso?«
    Das kleine Mädchen zuckte mit den Schultern. Es durfte die Dame nicht erwähnen, das hatte Papa ihr oft genug eingeschärft.
    »Wo ist Sally dann?« Der Junge verlor die Geduld. Er schaute nach rechts und links. »Sie ist in diese Richtung gelaufen, da bin ich mir ganz sicher.«
    Aus einer anderen Ecke des Decks erscholl lautes Gelächter, dann hörte man jemanden davonlaufen. Die Miene des Jungen hellte sich auf. »Schnell!«, sagte er und rannte los. »Sonst entwischt sie uns noch.«
    Das Mädchen lugte hinter dem Fass hervor und sah zu, wie der Junge durch die Menge flitzte und hinter weißen Röcken herjagte.
    Dem Mädchen juckte es in den Füßen, sich an dem Spiel zu beteiligen.
    Aber die Dame hatte gesagt, es solle warten.
    Der Junge war schon ziemlich weit weg. Gerade schob er sich an einem beleibten Mann mit gezwirbeltem Schnurrbart vorbei, der so verdattert die Brauen zusammenzog, dass sein Gesicht aussah wie eine zerdrückte Tomate.
    Vielleicht gehörte das alles zum selben Spiel. Die Dame erinnerte
das Mädchen viel mehr an ein Kind als die anderen Erwachsenen, die es kannte. Vielleicht spielte die Dame ja auch mit.
    Langsam kam das Mädchen hinter dem Fass hervor und stand auf. Sein linker Fuß war eingeschlafen, es fühlte sich an wie tausend Nadelstiche. Während es darauf wartete, dass es den Fuß wieder bewegen konnte, sah es den Jungen um eine Ecke verschwinden.
    Dann, ohne weiter darüber nachzudenken, lief das Mädchen hinter ihm her. Das Herz hüpfte ihm vor Freude, als es über die Holzplanken rannte.

2 Brisbane Australien, 1930
    Am Ende einigten sie sich darauf, Nells Geburtstagsparty in der Aula der Fakultät für Kunst zu feiern. Hamish hatte vorgeschlagen, die Party im neuen Veteranenklub auf der Given Terrace abzuhalten, doch Nell hatte sich der Meinung ihrer Mutter angeschlossen und erklärt, es sei Unsinn, so viel Geld auszugeben, vor allem in so schwierigen Zeiten. Hamish hatte schließlich nachgegeben, jedoch darauf bestanden, dass sie sich aus Sydney die spezielle Spitze kommen ließ, von der er wusste, dass sie sie so gern für ihr Kleid haben wollte. Lil hatte ihm kurz vor ihrem Tod diesen Floh ins Ohr gesetzt. Sie hatte sich zu ihm herübergebeugt, seine Hand genommen und ihm in der Zeitung die Anzeige von dem Geschäft in der Pitt Street gezeigt. Wie edel die Spitze sei, hatte sie gegurrt, wie sehr Nellie sie sich wünschte. Die Spitze sei vielleicht ein bisschen extravagant, aber man könne sie auch noch für ein Hochzeitskleid verwenden, wenn es so weit sei. Als Lil ihn angelächelte hatte, war sie ihm wieder vorgekommen wie sechzehn, und er war dahingeschmolzen.

    Damals arbeiteten Lil und Nell schon seit Wochen an dem Kleid. Nach Feierabend im Zeitungsladen und nach dem Nachmittagstee, wenn die jüngeren Mädchen sich träge auf der Veranda kabbelten und so viele Mücken in der schwülen Luft herumschwirrten, dass das Summen einen ganz verrückt machte, nahm Nell
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