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Der verborgene Garten - Der verborgene Garten - The Forgotten Garden

Titel: Der verborgene Garten - Der verborgene Garten - The Forgotten Garden
Autoren: Kate Morton
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und Verwandten zu gewinnen, über das die Tanten verfügten. »Wer ist June?«
    »Eine unserer Cousinen«, sagte Dot. »Mütterlicherseits. Die hast du doch bestimmt mal kennengelernt, oder? Sie war ungefähr ein Jahr älter als Nell, und die beiden waren als Mädchen unzertrennlich.«
    »Sie müssen sich wirklich sehr nahegestanden haben«, bemerkte Phyllis. »June war die Einzige, der Nell sich anvertraut hat, als es passiert ist.«
    »Als was passiert ist?«, fragte Cassandra.
    Dot beugte sich vor. »Pa hat Nell gesagt …«
    »Pa hat Nell etwas gesagt, das er nie hätte aussprechen dürfen«, fiel Phyllis ihr hastig ins Wort. »Aber er hielt es für das Richtige, der Arme. Und dann hat er es sein Leben lang bereut, denn von da an war es nie wieder wie früher zwischen den beiden.«
    »Dabei war Nell immer sein Lieblingskind gewesen.«
    »Er hat uns alle geliebt«, fauchte Phyllis.
    »Ach Phyll«, sagte Dot und verdrehte die Augen. »Selbst jetzt kannst du es nicht zugeben. Nell war sein Liebling, Punkt, aus. Im Nachhinein betrachtet eigentlich ziemlich paradox.«

    Als Phyll nichts entgegnete, fuhr Dot - froh, das Ruder übernehmen zu können - mit der Geschichte fort. »Es war an ihrem einundzwanzigsten Geburtstag«, sagte sie. »Nach der großen Party …«
    »Es war nicht hinterher«, unterbrach sie Phyllis, »sondern während der Party.« Sie wandte sich wieder an Cassandra. »Wahrscheinlich dachte er, es wäre genau der richtige Moment, um es ihr zu sagen, wo sie am Anfang eines neuen Lebens stand und alles. Sie war verlobt, weißt du. Aber nicht mit deinem Großvater, sondern mit einem anderen jungen Mann.«
    »Wirklich?« Cassandra war überrascht. »Davon hat sie nie was erwähnt.«
    Phyllis nickte bedächtig. »Das war ihre große Liebe, wenn du mich fragst. Ein Bursche von hier, nicht wie Al.«
    Den Namen des Letzteren sprach Phyllis mit einer Spur Verachtung aus. Dass die Tanten Nells amerikanischen Mann nicht gemocht hatten, war kein Geheimnis. Es war nichts Persönliches, eher eine grundsätzliche Abneigung gegen die amerikanischen GIs, die während des Zweiten Weltkriegs mit viel Geld, feschen Uniformen und einem charmanten Akzent in Brisbane eingetroffen waren, nur um sich kurz darauf mit einem Gutteil der örtlichen jungen Frauen aus dem Staub zu machen. »Und was ist passiert? Warum hat sie ihn nicht geheiratet?«
    »Ein paar Wochen nach der Party hat sie die Verlobung aufgelöst«, sagte Phyllis. »Gott, war das schrecklich. Wir mochten Danny alle so gern, und ihm hat es das Herz gebrochen, dem armen Kerl. Irgendwann hat er dann eine andere geheiratet, kurz vor dem Zweiten Weltkrieg. Aber das hat ihm auch kein Glück gebracht, er ist im Krieg gegen die Japaner gefallen.«
    »Wollte euer Vater nicht, dass sie den Mann heiratete?«, fragte Cassandra. »War es das, was er ihr an dem Abend gesagt hat? Dass sie Danny nicht heiraten sollte?«
    »Wohl kaum«, schnaubte Dot. »Pa hielt große Stücke auf
Danny, da konnte keiner von unseren Ehemännern später mithalten.«
    »Aber warum hat sie die Verlobung dann aufgelöst?«
    »Das hat sie nicht gesagt, nicht mal Danny hat sie eine Erklärung gegeben. Wir haben uns alle den Kopf zerbrochen«, antwortete Phyllis. »Wir wussten nur, dass Nell weder mit Pa noch mit Danny reden wollte.«
    »Mehr wussten wir nicht, bis Phyll mit June gesprochen hat«, sagte Dot.
    »Fast fünfundvierzig Jahre später.«
    »Und was hat June gesagt?«, wollte Cassandra wissen. »Was ist damals auf der Party passiert?«
    Phyllis trank einen großen Schluck Tee und sah Cassandra mit hochgezogenen Brauen an. »Pa hat Nell eröffnet, dass sie keine leibliche Tochter von ihm und Ma war.«
    »Sie haben sie adoptiert?«
    Die Tanten tauschten einen kurzen Blick aus. »Nicht direkt«, bemerkte Phyllis.
    »Eher gefunden«, sagte Dot.
    »Mitgenommen.«
    »Und behalten.«
    Cassandra runzelte die Stirn. »Wo haben sie sie denn gefunden?«
    »Am Kai von Maryborough«, sagte Dot. »Da, wo die großen Schiffe aus Europa anlegten. Inzwischen fahren die Schiffe natürlich die größeren Häfen an, und heutzutage reisen die meisten Leute ja sowieso per Flugzeug …«
    »Pa hat sie gefunden«, fiel Phyllis ihr ins Wort. »Sie war noch ganz klein. Das war kurz vor dem Ersten Weltkrieg. Die Leute haben Europa scharenweise verlassen, und wir haben sie mit offenen Armen hier in Australien aufgenommen. Alle zwei Tage kam so ein großes Schiff im Hafen an. Pa war damals Hafenmeister, und seine Aufgabe
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