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Der verborgene Charme der Schildkröte

Titel: Der verborgene Charme der Schildkröte
Autoren: Julia Stuart
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und das war’s dann.«
    Eine Pause trat ein.
    Milo wandte sich an seinen Vater. »Ein bisschen wie bei Mrs. Cooks Schwanz?«, fragte er.
    »Genau. Er hat sicher nichts gespürt.«
    Das frühe Morgenlicht schimmerte auf der Themse, als Balthazar Jones auf der Wehrmauer stand und zusah, wie der erste Wagen langsam den Tower verließ. Er transportierte die Giraffen, die nie ein Geschenk des schwedischen Königs gewesen waren. Als Nächstes kam der Komodowaran mit seinen Eiern, diesem Ergebnis einer unbefleckten Empfängnis. Die Grünen Ringbeutler, die nun folgten, hatten adrett ihre Schwanzspitze eingekringelt und träumten vor sich hin. Mit dabei war auch der Sugarglider, den der Beefeater ein letztes Mal mit einer Tukanfeder gekrault hatte. Im Fußbereich des Lkws stand ein Korb mit dem Lovebird-Männchen, dessen Bein nach der Attacke seiner Partnerin immer noch geschient war. Im Bewusstsein drohender Gefahr hatten sich die Helmbasilisken auf die Hinterbeine gestellt und rannten in ihrem Lieferwagen hin und her, die Vorderpfoten zu beiden Seiten ihres Körpers ausgestreckt, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Dann kam der Vielfraß, der zwar auf Diät gesetzt war, es aber geschafft hatte, etliche rohe Eier in seinem Fell zu verstecken. Die Riesenotter, die Balthazar Jones nie kennengelernt hatte, hockten im Lastwagen dahinter, und danach folgte, dem Gestank nach zu urteilen, der Zorilla. Die Weißkopf-Büschelaffen reisten in einem Fahrzeug mit verdunkelten Scheiben, damit sie während der Fahrt durch nichts erschreckt würden. Schließlich kamen die Vögel, die in ihrem Lastwagen hin und her flatterten, allen voran der Wanderalbatros mit seinen unübersehbaren rosafarbenen Füßen. Das einzige Wesen, das sich nicht in die Luft erhob, war der Fledermauspapagei. Er hatte eine Gehirnerschütterung erlitten und klammerte sich während der gesamten Fahrt kopfüber an seine Stange.
    Als er das letzte Fahrzeug verschwinden sah, fröstelte es Balthazar Jones. Er begab sich zu dem Lieferwagen, den er für diesen Tag gemietet hatte, und fuhr aus dem Tower heraus. Neben ihm auf dem Beifahrersitz stand der Käfig mit der Waldspitzmaus, die sich mit ihren kolossalen Hüften endlich aus dem winzigen Häuschen herausgequetscht hatte.
    Vor dem schmiedeeisernen Tor, das beinahe die Giraffen geköpft hatte, parkte er und trug vorsichtig den Korb hinein. Den atemberaubenden Körperumfang des Tieres führte er auf die Feigenkekse zurück, die ihm der ebenso fette Yeoman Gaoler verabreicht haben dürfte. Er kontrollierte, ob alle Tiere sicher angekommen waren, und beobachtete, wie sie ihre Gehege zurückeroberten. Nachdem er Zeuge der außerordentlichen Zusammenführung des Wanderalbatros mit seiner Gefährtin geworden war, reichte er dem Sugarglider-Wärter, der ihn irritiert anschaute, eine Tukanfeder. Dann kehrte er zu seinem Lieferwagen zurück und blickte sich sorgfältig um. Sobald er sicher war, dass ihn niemand sah, schob er die Seitentür auf und kullerte eine Pampelmuse durchs Eingangstor. Einen kurzen Moment zögerte das Bartschwein, dann jagte es hinterher, und die Schwanzquaste flatterte auf Vollmast über seinen prächtigen Hinterbacken.
    Als Rev. Septimus Drew die schwere Eichentür des Rack & Ruin aufschob, machte einer der Beefeater gerade Kopfstand und interpretierte auf eindrucksvolle Weise den historischen Schrei, mit dem der Fledermauspapagei von der Wetterfahne des White Towers hinabgestürzt war. Sobald er die hageren Knöchel des Kaplans erkannte, richtete er sich sofort auf und entschuldigte sich für die Darbietung der unheiligen Luftnummer. Der Geistliche hörte Derartiges nicht zum ersten Mal. Wo auch immer der Rabenmeister im Tower auftauchte, erklang der Lustschrei des Papageis mit ungezügeltem Enthusiasmus.
    Der Kaplan trat zum Vogelkäfig und betrachtete seinen gelben Bewohner, der plötzlich eine Melodie ausspie. Er bückte sich zu dem Wesen hinab, um zu sehen, wie es sich der Töne entledigte, an denen es fast zu ersticken drohte. Dabei behielt er Ruby Dore stets im Blick. Sobald die Wirtin keinen Gast bediente, trat er zu ihr und fragte sie, ob er sie kurz unter vier Augen sprechen könne. Sie schaute auf und zögerte. »Der Well Tower ist wieder abgeschlossen, nachdem man die zahmen Wanderratten abgeholt hat«, erwiderte sie dann. »Ich komme in ein paar Minuten in den Wakefield Tower.«
    Nachdem er in die kleine Gebetskapelle geschaut hatte, wo man angeblich Heinrich VI., der zum Gebet in die
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