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Der Utofant

Der Utofant

Titel: Der Utofant
Autoren: Johanna und Günter Braun
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Übertragbarkeit zeitlichen Eigentums geregelt wird? Handelt es sich bei Zeit noch um individuelles Eigentum, wenn sie die Lebensdauer eines Individuums überschreitet? Auch sollte überprüft werden, ob Zeit rückwirkend erstattet werden kann. Wann verfällt der Anspruch? Es besteht juristisch Unklarheit darüber, ob ehemalige Schüler für ihrer Ansicht nach vertane oder leer gelaufene Zeit beim (wie sie es nennen) Wiederkäuen alten, unpraktischen Leerstoffs Rückerstattung fordern dürfen. Gibt es Ansprüche auf beim Koitus vertane Zeit? Müßte nicht endlich überprüft werden, ob nicht Manipulierer am Werke sind, um Zeit absichtlich zu Leerlaufzeit zu machen?

    Frau Telefonia Bell verrät nicht, wie es ihr gelungen ist, Zeit rückzahlbar zu machen. Stimmt es, daß Zeit unendlich vorhanden ist? Wenn der Raum begrenzt sein soll, müßte es auch die Zeit sein. Wäre sie unendlich, brauchte sie nicht zurückverlangt zu werden. Dann wäre eine bewußte unrechtmäßige Zeitverschwendung zum Zweck der Rückerstattung nicht so verlockend. Heute sieht es leider so aus, daß ein notorischer Zeitverschwender ungeheuer viel Zeit erhalten kann, wenn er es darauf anlegt, sich all diese vertane Zeit (papiermäßig bestätigt) zurückzahlen zu lassen, um sie rasch wieder zu vertun, wodurch die Anhäufung weitergeht. Die Zeitaufkäufer, die jetzt die Welt durchstreifen, an jeder Wohnung klingeln, um nachher die aufgekaufte Zeit zu horten, gehören zu den lästigsten Zeiterscheinungen. Andererseits ist es wahr, daß sie von manchen Familien schon sehnsüchtig erwartet werden, besonders wenn am Monatsende das Geld knapp geworden ist. Man verkauft etwas leer gelaufene Zeit, die man sich vorher hat bestätigen lassen. So können wir uns des Eindrucks nicht erwehren, daß wir jetzt eine schwarze Währung haben, die Zeitwährung, wie früher einmal die Zigarettenwährung. Aber gerade diejenigen, die dringend zusätzliche Zeit gebrauchen könnten, haben davon nichts. Was wollen sie mit einem Stück Papier anfangen, auf dem ihnen die Rückgabe von soundso viel Leerzeit bestätigt wird? Sie gehen lieber auf eigene Faust vor, indem sie ihnen aufgezwungene Leerlaufzeiten heimlich nutzen, um sich zu bilden oder zu erholen. Auf dem Papier besitzen diese Leute keine Zeit. Sie wären arme Hunde, wenn sie nicht noch für die von ihnen heimlich genutzte Leerlaufzeit Ersatz beantragen würden. Doch dazu nehmen sie sich meistens nicht die Zeit. Die Natural-Zeit, wohlgemerkt. Denn ganz entgegen dem Sinne der Erfinderin gibt es jetzt bereits die Papier-Zeit als Zeitgeld, also Geld als Äquivalent für Zeit.

    Prozeß

    Der Industrie- und Forschungspräsident von N. strengte gegen Frau Telefonia Bell einen Prozeß an, er habe, da er hinter der Konkurrenz im Rückstand gewesen sei, Zeit gekauft, wodurch er theoretisch seinem Gegner hätte voraus sein müssen, er sei es aber trotzdem nicht. Obwohl sein Konkurrent nach wie vor unter Zeitnot leide, habe er bereits wieder ein neues elektronisches System entwickelt, sei ihm also schon wieder weit voraus.
    Frau Bell behauptete, der Kläger habe das Time-Repaymentsystem nicht voll verstanden. Die Schwierigkeiten, die sich aus dem System ergeben, beruhten auf falschen Zeitgewohnheiten und einer rückständigen Zeitökonomie der meisten Antragsteller. Aufgeworfen wurde anläßlich dieses Falles auch die Frage, ob derjenige, der seine ursprüngliche, ihm individuell zustehende oder auch gesellschaftliche Natural-Zeit voll nutze, nicht bestraft werden müsse. Müßte nicht wenigstens eine Vorschrift erlassen werden, die von jedem Zeitbenutzer fordert, die Zeit nach einem vorgeschriebenen Rhythmus zu benutzen? Nicht aus einer Zeit mehr herauszuholen als uhrablaufmäßig, chronometrisch, in ihr steckt?

    Auswüchse des Systems

    Wenn es in Telefonia Beils Absicht gelegen hat, mit ihrem System verlorene Zeit der Gesellschaft wieder nutzbar zu machen, also ein time-recycling vorzunehmen, die tote Zeit wieder in Umlauf zu bringen, so scheint das Gegenteil eingetreten. Noch nie haben wir einen solchen Bürokratismus zu verzeichnen gehabt wie seit der probeweisen Einführung des Systems. Noch nie war der Papierverbrauch für Antrags- und Bestätigungsformulare, Er-mittlungs- und Statistikfragebögen derart hoch. Allein um nachzuweisen, ob eine halbe Stunde durch Fremdverschulden leer gelaufen ist, braucht der Antragsteller zwei Tage, um von den einzelnen Überprüfungs- und Bestätigungsstellen seine Unterlagen zu
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