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Der untröstliche Witwer von Montparnasse

Der untröstliche Witwer von Montparnasse

Titel: Der untröstliche Witwer von Montparnasse
Autoren: Fred Vargas
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Sektion 47, und er komme, um dringende Überprüfungen in allen Wohnungen durchzuführen.
    Ohne zu zögern, öffnete Julie die Tür. Feuerwehrleute und Gasmänner sind heilige Wesen, die die schwankenden Geschicke der unterirdischen Rohrsysteme lenken, jener unbekannten Leitungen, Kamine und Vulkane der Hauptstadt.
    Der Mann bat mit besorgtem Gesichtsausdruck darum, die Küche sehen zu dürfen; Julie zeigte ihm den Weg und wandte sich um, um die Tür zu schließen.
    Wie ein Schraubstock legten sich zwei Arme um ihren Hals. Unfähig zu schreien, wurde Julie nach hinten gezogen. Ihre Hände klammerten sich in einer krampfartigen, aber vergeblichen Bewegung verzweifelt um den Arm des Mannes. Aus dem Fernseher drangen die Schüsse des Boxeraufstandes.
    Marc stieß dem Mörder brutal das Ende des Bleirohrs gegen die Wirbelsäule.
    »Laß sie los, Merlin, verdammt noch mal!« brüllte er, »oder ich zerschlag dir dein Kreuz!«
    Es schien Marc, als habe er deswegen so laut gebrüllt, weil er sich im Grunde unfähig fühlte, auf das Kreuz, den Kopf oder den Bauch von wem auch immer einzuschlagen. Merlin ließ die junge Frau los und fuhr blitzartig herum. Sein Krötengesicht war wutverzerrt. Marc fühlte, wie er im Nacken und an den Haaren gepackt wurde und stieß mit aller Kraft seine Bleistange unter das Kinn des Mörders. Merlin hielt sich stöhnend mit beiden Händen den Mund und fiel auf die Knie. Marc konnte sich nicht überwinden, ihm auf den Kopf zu schlagen. Er wartete, bis Merlin wieder hochkam, während er der Frau zurief, sie solle die Bullen rufen. Als Merlin sich am Sessel hochzuziehen versuchte, zielte Marc auf seinen Hals und stürzte sich, das Rohr mit beiden Händen umklammernd, auf ihn. Merlin kippte auf den Rücken, Marc drückte das Rohr auf seine Kehle. Er hörte, wie die junge Frau mit schriller Stimme den Bullen ihre Adresse nannte.
    »Seine Füße! Einen Strick!« rief Marc, der sich gegen den dicken Mann stemmte. Er drückte der Kröte den Hals zu, aber das Bleirohr zitterte unter seinen Händen. Der Mann war kräftig und leistete heftigen Widerstand. Marc fühlte sich hoffnungslos leicht. Wenn er losließe, würde Merlin rasch die Oberhand gewinnen.
    Julie hatte keinen Strick und mühte sich an den Beinen des Mannes mit breitem Klebeband ab. Keine vier Minuten später hörte Marc, wie die Bullen zum offenen Fenster hereinkletterten.
     

41
     
    Marc saß mit hängenden Armen und schmerzenden Beinen auf dem Sofa und sah zu, wie die Bullen sich um Paul Merlin kümmerten. Er hatte darum gebeten, Loisel sofort zu benachrichtigen und Louis Kehlweiler zu holen, der derzeit an der Rue du Soleil Wache hielte. Julie, die neben ihm saß, war zwar nicht sehr unternehmungslustig, schien aber doch in weit besserer Form als er. Er bat sie dringend um drei Aspirin oder irgend etwas, was gerade zur Hand war, um seine schrecklichen Kopfschmerzen zu lindern, die ihm auf sein linkes Auge drückten. Julie gab ihm ein Glas Wasser und reichte ihm eine Tablette nach der anderen, so daß ein Polizist, der später gekommen war, glaubte, Marc sei das Opfer.
    Als seine Kopfschmerzen etwas nachgelassen hatten, sah Marc Merlin zu, der zwischen zwei Bullen saß und mechanisch seine Amphibienlippen bewegte. Eine Fliege im Helm, gar kein Zweifel, eine so monströse und unglaublich Fliege wie die, die er in Nevers gezeichnet hatte. Dieses Schauspiel bestärkte Marc in seinem Grausen vor Kröten, auch wenn ihm undeutlich bewußt war, daß das nichts miteinander zu tun hatte. Julie war sehr hübsch. Sie biß sich auf die Lippen, hatte einen schelmischen Blick, und ihre Wangen waren hochrot vor Aufregung. Sie hatte weder ein Aspirin noch sonst etwas genommen, Marc war wirklich erstaunt.
    Man wartete auf Loisel.
    Er kam mit drei seiner Männer, gefolgt von Louis, den eine Streife abgeholt hatte. Louis stürzte sich auf Marc, der ihm etwas gekränkt zu verstehen gab, daß nicht er das Opfer sei, sondern die junge Frau neben ihm. Loisel führte Julie in das angrenzende Zimmer.
    »Hast du gesehen, wo wir sind?« fragte Marc.
    »Rue de la Comete. Wir sind richtige Arschlöcher.«
    »Und hast du auch gesehen, wer es ist?«
    Louis blickte zu Merlin und nickte ernst.
    »Wie bist du darauf gekommen?«
    »Über deine Knöchelchen. Ich erzähl's dir später.«
    »Erzähl's jetzt.«
    Marc seufzte und rieb sich die Augen.
    »Ich habe den Weg der Knöchelchen zurückverfolgt«, sagte er. »Clement spielt. Wer hat ihm das beigebracht? Gute Frage.
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