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Der Unterhändler

Der Unterhändler

Titel: Der Unterhändler
Autoren: Frederick Forsyth
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instabilen Weltgegend wie dem Nahen Osten kann jedes Regime stürzen, ehe die Woche vorbei ist.
    Cyrus V . Miller starrte die Blätter an. Es gefiel ihm nicht, was er da las, aber er wußte, daß es die Wahrheit war. Als amerikanischer Ölproduzent und Verarbeiter von Rohöl hatte er – wie er es sah – in den vergangenen vier Jahren grausam gelitten, und trotz aller Anstrengungen, die die Lobby der Ölindustrie unternommen hatte, hatte sich der Kongreß nicht erweichen lassen, im Arctic National Wildlife Range in Alaska, wo die Aussichten, neues Öl zu entdecken, am verheißungsvollsten waren, Pachtland bereitzustellen. Miller haßte Washington und alle seine Werke.
    Er warf einen Blick auf seine Uhr. Halb fünf, dann drückte er eine Taste auf seiner Schreibtisch-Konsole. An der gegenüberliegenden Seite des Raumes glitt eine Schiebewand aus Teakholz geräuschlos beiseite, und ein Fernsehgerät wurde sichtbar. Miller wählte den Kanal von Cable News Network und erwischte gerade die Schlagzeilenmeldung des Tages.
    Die Air Force One schwebte über der Landebahn der Andrew Base außerhalb von Washington, wirkte wie in der Luft aufgehängt, bis die Räder sanft auf der Landebahn aufsetzten und sie wieder mit amerikanischem Boden verbunden war. Während sie bremste, und der massive Rumpf sich von der Landebahn weg- und auf der eine Meile langen Rollbahn zu den Flughafengebäuden hindrehte, wurde das Bild der Maschine von dem des hastig brabbelnden Nachrichtensprechers verdrängt, der noch einmal über die Rede des Präsidenten kurz vor dem Abflug aus Moskau, zwölf Stunden vorher, berichtete.
    Wie um die Echtheit dieses Berichts zu beweisen, brachte das CNN -Aufnahmeteam – da noch zehn Minuten blieben, bis die Boeing ausgerollt war – die auf russisch gehaltene Ansprache des Präsidenten mit den englischen Untertiteln, das Schreien und Jubeln der Flughafenarbeiter und Milizionäre und das Bild Michail. Gorbatschows, wie er den Amerikaner überschwenglich umarmte. Cyrus V . Millers nebelgraue Augen blinzelten nicht, verbargen sogar hier in diesem Raum, wo er mit sich allein war, seinen Haß auf den Großbürger aus Neuengland, der sich ein Jahr zuvor unerwartet an die Spitze gesetzt und die Präsidentschaft errungen hatte und nun rascher eine Entspannung im Verhältnis zu Rußland ansteuerte, als selbst Reagan es je gewagt hatte. Als Präsident Cormack in der Tür der Air Force One erschien und die Hymne »Hail to the Chief« intoniert wurde, schaltete Miller mit verächtlicher Miene den Fernsehapparat ab.
    »Kommunisten-Arschkriecher!« knurrte er und wandte sich wieder Dixons Bericht zu.
    Genau besehen ist die Zwanzig-Jahre-Frist für das Versiegen des Öls bei den einundvierzig Ölproduzenten der Welt bis auf zehn bedeutungslos. Das Hochtreiben der Preise wird in zehn Jahren oder schon früher einsetzen. Ein unlängst vorgelegter Bericht aus der Harvard University sagte einen Preis von über fünfzig Dollar pro Barrel noch vor 1999 gegenüber sechzehn Dollar pro Barrel heute voraus. Dieser Bericht wurde unterdrückt, war aber ohnedies zu optimistisch gehalten. Welche Auswirkungen solche Preise auf die Amerikaner haben werden, ist eine alptraumhafte Vorstellung. Was werden sie tun, wenn sie erfahren, daß sie zwei Dollar für eine Gallone Benzin zahlen müssen? Wie wird der Farmer reagieren, wenn er erfährt, daß er seine Schweine nicht füttern, sein Getreide nicht ernten, ja, nicht einmal im bitterkalten nördlichen Winter sein Haus heizen kann? Wir werden in unserem Land eine soziale Revolution erleben.
    Selbst wenn Washington grünes Licht für eine massive Wiederbelebung der amerikanischen Ölproduktion gäbe, hätten wir dennoch beim derzeitigen Verbrauchsniveau nur für fünf Jahre Reserven. Europa ist sogar noch schlechter dran; abgesehen vom kleinen Norwegen (eines der zehn Länder mit Reserven für dreißig Jahre oder mehr, allerdings auf einer sehr kleinen Offshore-Förderung basierend) verfügt Europa über Reserven für drei Jahre. Die Länder des Pazifischen Beckens sind vollkommen von importiertem Öl abhängig und haben gewaltige Hartwährungsüberschüsse. Das Ergebnis? Abgesehen von Mexiko, Venezuela und Libyen werden wir alle unsere Hoffnungen auf dieselbe Versorgungsquelle richten – die sechs produzierenden Gebiete im Nahen Osten.
    Der Iran, der Irak, Abu Dhabi und die Neutrale Zone verfügen über Öl, aber zwei Staaten besitzen mehr als die übrigen zusammen – Saudi-Arabien und das
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