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Der Unterhändler

Der Unterhändler

Titel: Der Unterhändler
Autoren: Frederick Forsyth
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auf das Meer im Süden. Manilva ist von einigen kleinen Dörfern, oder eher Weilern, umringt. Hier sind die Menschen zu Hause, die die Felder an den Hängen bestellen und sich um die Rebstöcke kümmern.
    In einem dieser Dörfer, Alcantara del Rio, kehrten die Männer von den Feldern zurück, müde nach einem langen Arbeitstag. Die Traubenernte war schon lange eingebracht, doch die Rebstöcke mußten beschnitten werden, ehe der Winter kam. Es war schwere Arbeit, die man im Rücken und in den Schultern spürte. Deshalb besuchten die meisten, ehe sie zu ihren verstreuten Häusern heimgingen, auf ein Glas und ein Schwätzchen die einzige Cantina desDorfes.
    Alcantara del Rio hatte außer Ruhe und Frieden nicht viel zu bieten. Es gab eine kleine weißgekalkte Dorfkirche, betreut von einem betagten Priester, der seine letzten Jahre damit verbrachte, für die Frauen und Kinder die Messe zu lesen, während die männlichen Mitglieder seiner Herde leider Gottes am Sonntagvormittag der Kneipe den Vorzug gaben. Die Kinder gingen nach Manilva zur Schule. Außer den vier Dutzend weißgekalkten Häuschen gab es nur noch die Bar Antonio, in der sich nun die Arbeiter aus den Weingärten drängten. Manche arbeiteten für landwirtschaftliche Kooperativen, die ihren Sitz woanders, meilenweit entfernt, hatten; andere besaßen ihr eigenes Stückchen Land, waren fleißig und lebten bescheiden von ihrer Hände Arbeit – je nachdem, wie die Ernte ausfiel und welche Preise die Käufer in den Städten zu zahlen bereit waren.
    Der hochgewachsene Mann kam als letzter herein, nickte den Anwesenden grüßend zu und setzte sich auf seinen gewohnten Platz in der Ecke. Er war ein ganzes Stück größer als die anderen Männer hier, schlaksig, ein Mittvierziger mit einem zerfurchten Gesicht und Augen, aus denen der Humor funkelte. Manche der Bauern sprachen ihn mit »Señor« an, doch Antonio gebrauchte eine vertraulichere Anrede, als er mit einer Karaffe Wein und einem Glas herbeigeeilt kam.
    »Muy Buenos, amigo. Va bien?«
    »Ola, Tonio«, sagte der große Mann leichthin, »si, va bien.«
    Er drehte sich um, als plötzlich laute Musik aus dem Fernsehapparat über der Theke drang. Es waren die Abendnachrichten der TVE , und die Männer in der Kneipe verstummten, um die wichtigsten Tagesereignisse mitzubekommen. Zuerst erschien der Nachrichtensprecher und schilderte kurz die Abreise des US -Präsidenten Cormack aus Moskau. Dann wechselte das Bild nach Wnukowo, wo der Präsident vor das Mikrofon trat. Das Fernsehen brachte keine Untertitel, sondern statt dessen eine Übersetzung aus dem Off. Die Männer in der Cantina lauschten aufmerksam. Als John F . Cormack seinen letzten Satz sprach und Gorbatschow die Hand entgegenstreckte, schwenkte die Kamera (es war das BBC -Team, das für sämtliche westeuropäischen TV -Stationen berichtete) über die jubelnden Flughafenarbeiter, dann über die Milizionäre und die KGB -Männer. Der spanische Nachrichtensprecher erschien wieder auf dem Bildschirm. Antonio wandte sich dem hochgewachsenen Mann zu.
    »Es un buen hombre, Señor Cormack«, sagte er mit einem breiten Lächeln und schlug dem Gast gratulierend auf den Rücken, als wäre er gewissermaßen Miteigentümer des Mannes aus dem Weißen Haus.
    »Si«, sagte der hochgewachsene Mann und nickte nachdenklich, »es un buen hombre.«
    Cyrus V . Miller war nicht mit einem goldenen Löffel im Mund geboren worden. Er stammte von armen Farmern in Colorado ab und hatte als Junge miterlebt, wie das kleine Besitztum seines Vaters von einer Bergwerksgesellschaft aufgekauft und von ihren technischen Anlagen verwüstet wurde. Nach dem Motto handelnd, daß man sich den Stärkeren anschließen muß, wenn man sie nicht besiegen kann, hatte sich der junge Mann mühsam durch die Colorado School of Mining in Denver gearbeitet und sie 1933 mit einem Diplom und den Kleidern, die er auf dem Leib trug, verlassen. Da ihn während seines Studiums das Erdöl mehr fasziniert hatte als Grubengestein, machte er sich nach Süden, nach Texas, auf. Damals war noch die Zeit der »wildcatter«, die spekulativ nach Öl bohrten, und der Pachtverträge, die nicht durch Planungsauflagen und ökologische Bedenken belastet waren.
    1936 hatte er ein billiges Pachtgrundstück entdeckt. Es war von Texaco aufgegeben worden, weil man wohl, wie er annahm, an der verkehrten Stelle gebohrt hatte. Er überredete einen »toolpusher« mit einem eigenen Bohrturm zum Mitmachen, brachte mit Schmeicheleien eine
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