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Der Untergang des Abendlandes

Der Untergang des Abendlandes

Titel: Der Untergang des Abendlandes
Autoren: Oswald Spengler
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Verwertung selbstverständlich. [Die chinesische Kultur hat fast alle abendländischen Erfindungen auch gemacht – darunter Kompaß, Fernrohr, Buchdruck, Schießpulver, Papier, Porzellan –, aber der Chinese schmeichelt der Natur etwas ab, er vergewaltigt sie nicht. Er empfindet wohl den Vorteil seines Wissens und macht Gebrauch davon, aber er stürzt sich nicht darauf, um es auszubeuten.] Die Theorie ist von Anfang an Arbeitshypothese. [Vgl. Bd. II, S. 929.] Der antike Grübler »schaut« wie die Gottheit des Aristoteles, der arabische sucht als Alchimist nach dem Zaubermittel, dem Stein der Weisen, mit dem man die Schätze der Natur
mühelos
in seinen Besitz bringt, [Es ist derselbe Geist, der den Geschäftsbegriff der Juden, Parsen, Armenier, Griechen, Araber von dem der abendländischen Völker unterscheidet.] der abendländische will die Welt nach seinem Willen
lenken
.
    Der faustische Erfinder und Entdecker ist etwas Einziges. Die Urgewalt seines Wollens, die Leuchtkraft seiner Visionen, die stählerne Energie seines praktischen Nachdenkens müssen jedem, der aus fremden Kulturen herüberblickt, unheimlich und unverständlich sein, aber sie liegen uns allen im Blute. Unsre ganze Kultur hat eine Entdeckerseele. Ent-decken, das was man
nicht
sieht, in die Lichtwelt des inneren Auges ziehen, um sich seiner zu bemächtigen, das war vom ersten Tage an ihre hartnäckigste Leidenschaft. Alle ihre großen Erfindungen sind in der Tiefe langsam gereift, durch vorwegnehmende Geister verkündigt und versucht worden, um mit der Notwendigkeit eines Schicksals endlich hervorzubrechen. Sie waren alle schon dem seligen Grübeln frühgotischer Mönche ganz nahegerückt. [Vgl. Bd. II, S. 928. Albertus Magnus lebte in der Sage als der große Zauberer fort. Roger Bacon hat über Dampfmaschine, Dampfschiff und Flugzeug nachgedacht. (F. Strunz, Die Gesch. der Naturwiss. im Mittelalter (1910), S. 88).] Wenn irgendwo, so offenbart sich hier der religiöse Ursprung alles technischen Denkens. [Vgl. Bd. II, S. 884.] Diese inbrünstigen Erfinder in ihren Klosterzellen, die unter Beten und Fasten Gott sein Geheimnis
abrangen
, empfanden das als einen Gottesdienst. Hier ist die Gestalt Fausts entstanden, das große Sinnbild einer echten Erfinderkultur. Die
scientia experimentalis
, wie zuerst Roger Bacon die Naturforschung definiert hatte, die
gewaltsame
Befragung der Natur mit Hebeln und Schrauben beginnt, was als Ergebnis in den mit Fabrikschloten und Fördertürmen übersäten Ebenen der Gegenwart vor unsern Augen liegt. Aber für sie alle bestand auch die eigentlich faustische Gefahr, daß der Teufel seine Hand im Spiele hatte, [Vgl. Bd. II, S. 912f.] um sie im Geist auf jenen Berg zu führen, wo er ihnen alle Macht der Erde versprach. Das bedeutet der Traum jener seltsamen Dominikaner wie Petrus Peregrinus vom
perpetuum mobile
, mit dem Gott seine Allmacht entrissen gewesen wäre. Sie erlagen diesem Ehrgeiz immer wieder; sie zwangen der Gottheit ihr Geheimnis ab, um selber Gott zu sein. Sie belauschten die Gesetze des kosmischen Taktes, um sie zu vergewaltigen, und sie schufen so die
Idee der Maschine
als eines kleinen Kosmos, der nur noch dem Willen des Menschen gehorcht. Aber damit überschritten sie jene feine Grenze, wo für die anbetende Frömmigkeit der andern die Sünde begann, und daran gingen sie zugrunde, von Bacon bis Giordano Bruno. Die Maschine ist des Teufels: so hat der echte Glaube immer wieder empfunden.
    Eine Leidenschaft im Erfinden zeigt schon die gotische Architektur – die man mit der gewollten Formenarmut der dorischen vergleiche – und unsre gesamte Musik. Es erscheinen der Buchdruck und die Fernwaffe.. [Das griechische Feuer will nur erschrecken und zünden; hier aber wird die Spannkraft der Explosionsgase in Bewegungsenergie umgesetzt. Wer das ernsthaft vergleicht, der versteht den Geist abendländischer Technik nicht.] Auf Kolumbus und Kopernikus folgen das Fernrohr, das Mikroskop, die chemischen Elemente und endlich die ungeheure Summe der technischen Verfahren des frühen Barock.
    Dann aber folgt zugleich mit dem Rationalismus die Erfindung der
Dampfmaschine
, die alles umstürzt und das Wirtschaftsbild von Grund aus verwandelt. Bis dahin hatte die Natur Dienste geleistet, jetzt wird sie als
Sklavin
ins Joch gespannt und ihre Arbeit wie zum Hohn nach Pferdestärken bemessen. Man ging von der Muskelkraft des Negers, die in organisierten Betrieben angesetzt wurde, zu den organischen Reserven der Erdrinde
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