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Der Untergang

Der Untergang

Titel: Der Untergang
Autoren: Joachim C. Fest , Bernd Eichinger
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die sie dem Regime erteilten, keiner Idee gefolgt. Zu Hitler fiel ihnen tatsächlich, einem weitverbreiteten Wort der Zeit entsprechend, nichts ein. Alle gleichwohl unternommenen Versuche, ihm eine Epochenrolle anzudichten, blieben in bemühter Hilflosigkeit stecken. Was die Mehrheit mitnahm, überwältigte und allzulange in Bann hielt, war einzig Hitler selber, wie wenig geheuer er vielen auch zuzeiten erschien. Die unbändige Kraft, die ihn ein Leben lang vorwärtstrieb, war allein die vorkulturelle Maxime vom Recht des Stärkeren. Nur sie beschreibt Anfang und Ende dessen, was er als seine Weltanschauung ausgab.
      Aus Hitlers darwinistischer Generalparole folgte eine Anzahl früh erworbener und starr behaupteter Vorstellungen, die durchweg auf Niederwerfung, Versklavung sowie »rassische Flurbereinigung« zielten und am Ende immer »Verbrannte Erde« zurückließen. Niemals und nirgendwo hat er, selbst wo seine Armeen zunächst als Befreier begrüßt worden waren, eine Ungewißheit darüber entstehen lassen, daß er als Feind gekommen und als Feind zu bleiben gewillt war. Nahezu alle voraufgegangenen Welteroberer, die im Gedächtnis der Geschichte sind, haben es im Ablauf ihrer Herrschaft darauf angelegt, bei den Eroberten den Zweifel zu nähren, ob der Widerstand gegen den Eindringling ein höheres Recht in Anspruch nahm oder nur ein Versuch war, sich der Zukunft in den Weg zu stellen. Gegen Hitler durfte sich jede Gegnerschaft im Recht wissen. Sein Programm, hatte er schon früh geäußert, sei die »Formulierung einer Kriegserklärung … gegen eine bestehende Weltauffassung überhaupt«.
      Was damit gemeint war, haben spätestens die zu Beginn der vierziger Jahre aufgezeichneten »Tischgespräche« sowie die »Monologe im Führerhauptquartier« enthüllt. In ihnen hat sich Hitler rückhaltloser als irgendwo sonst offenbart und, sooft sich die Gelegenheit ergab, jedwede Moral, Religion und Menschlichkeit mit höhnischen Ausfällen bedacht. In der Welt, wie sie war, erklärte er, galten nacktere Gesetze. Die Vorkehrungen, die eine jahrhundertealte Tradition geschaffen hatte, um den Menschen vor dem Menschen zu schützen, tat er als »Geschwätz der Schweinepfaffen« ab. Dergleichen ging nicht nur auf Betrug oder Feigheit zurück. Vielmehr lief es auf die »Ursünde« des Naturverrats hinaus. Der Verstoß dagegen bedeute nichts anderes als die Auflehnung »gegen ein Firmament«, behauptete er, und am Ende beseitige man damit »nicht das Gesetz, sondern nur sich selbst«. Diesem »eisernen Gesetz der Logik« gehorchend, habe er sich jedes Mitgefühl versagt und die Widerstände im Innern wie die Gegenwehr der »Fremdrassigen« mit aller Härte niedergeschlagen. »Die Affen zum Beispiel«, erklärte er am 14. Mai 1942. im Führerhauptquartier, trampelten jeden »Außenseiter als gemeinschaftsfremd tot. Und was für die Affen gelte, müsse in erhöhtem Maße für die Menschen gelten.« Weiter zurück hinter alles zivilisierte Denken ist in der Tat kein Gewalthaber je gegangen.

      Bis zur bedingungslosen politischen und militärischen Gesamtkapitulation vergingen seit dem Tod Hitlers noch einige Tage. Das hatte seinen Grund nicht nur in den gebietsweise noch immer fortdauernden Kämpfen, sondern war auch auf den Entschluß der Regierung Dönitz zurückzuführen, den Lauf der Dinge durch Teilkapitulationen zu verzögern, um so vielen Truppen und Zivilpersonen wie möglich den Übertritt in die von den Westmächten besetzten Teile des Landes zu ermöglichen.
      Die Gesamtkapitulation erfolgte am 7. Mai nachts im Hauptquartier des amerikanischen Oberbefehlshabers, General Eisenhower, in Reims, nachdem zuvor schon eine Teilkapitulation gegenüber den britischen Streitkräften Feldmarschall Montgomerys stattgefunden hatte. Die Einstellung der Feindseligkeiten wurde für den 8. Mai um Mitternacht vereinbart. Da Stalin auf einer Kapitulation in Anwesenheit seiner höchsten Militärs bestand, wurde die Zeremonie am Ort des sowjetischen Oberkommandos in BerlinKarlshorst noch einmal vorgenommen. Während der Verhandlung mußte die deutsche Delegation in einem Nebenraum warten und wurde nur zur Unterzeichnung der Urkunde hinzugeholt. Keitel war mit Marschallstab und Goldenem Parteiabzeichen erschienen. Als einer seiner Begleiter im Verlauf des kurzen, förmlichen Hergangs aufseufzte, herrschte der Generalfeldmarschall ihn an: »Lassen Sie das!«

    8. Mai 1945: Bedingungslose Kapitulation in Berlin-Karlshorst
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