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Der unsichtbare Feind

Der unsichtbare Feind

Titel: Der unsichtbare Feind
Autoren: Hans Kneifel
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feuern konnten, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen. Große Luken mit wuchtigen Läden waren zu sehen, Enterleitern und die Enden kleiner Katapulte. Von dem Kapitän dieses Schiffes, dem Hexenmeister Aiquos, war weit und breit kein Zeichen zu sehen. Er war nicht gekommen, um sie zu begrüßen.
    Ein schlechtes Omen? fragte sich Luxon.
    Inzwischen hatte er abermals sein Aussehen verändert. Sonne und Seeluft hatten seine Haut gebräunt und seine Tätowierungen verblassen lassen. Der Bart, Kennzeichen Cassons, des Piraten, fehlte, ebenso der Ring in seinem Ohr. Nur das Haar und die Kleidung waren gefärbt beziehungsweise derjenigen der Zaketer angeglichen. Die »Männer aus Lyrland« unterschieden sich in ihrem Aussehen nicht sonderlich von den Calcopern, die schweigend zusahen, wie die Insassen des Bootes ihre Bündel auf den Steg warfen, ihre Waffen umhängten und nacheinander auf die Bretter hinaufkletterten.
    Der feste Steg schien unter den Sohlen der salzverkrusteten Stiefel und hochgeschnürten Sandalen zu schwanken wie im Beben.
    »Ich sehe fremde Tiere in großer Zahl«, sagte der falsche Hesert und deutete auf die Schwärme und Gruppen farbiger, großer Vögel, die sich auf der Suche nach Beute die Kehlen heiser schrien.
    »Ich habe mir sagen lassen«, erklärte Luxon und versuchte, sich an die Nachwirkungen der Seefahrt zu gewöhnen, »daß die Tiere ausgesetzt wurden. Damals. Sie haben sich vermehrt.«
    Die Insel war nicht viel länger als sechshundert Mannslängen, und schätzungsweise an der breitesten Stelle halb so breit. Auch dieses Atoll war, vor rund vierhundertmal zwölf Monden, bei den riesigen Aufbrüchen in der Kruste dieser Welt entstanden, aufgewölbt aus den feurigen Tiefen, und damals war auch der Berg des Lichts entstanden, nebst unzähligen anderen Veränderungen auf dem Antlitz der Oberfläche.
    Hesert flüsterte Luxon zu:
    »Mindestens sechsmal zehn Riemen an jeder Seite der Galeere. Denke an das furchtbare Schicksal der Rudersklaven!«
    »Ich habe mehr gezählt«, gab Luxon zurück. »Hoffentlich besinnt sich jeder auf die Rolle, die wir zu spielen haben.«
    Sie standen in einer schwankenden Gruppe zusammen, hoben ihre Ausrüstung auf und folgten den vier Calcopern.
    Keiner von ihnen bewegte sich schnell und zielsicher. Das hatte seinen Grund darin, daß sie sich unsicher fühlten und meinten, ein trügerisches kleines Paradies zu betreten. Der Steg führte über den Strand, in dessen Sand allerlei Treibgut versunken war, darunter seltsame Knochen von noch seltsameren Wesen, die wie gebleichtes Holz hochragten, von Tangfetzen und kleinen Vogelkadavern bedeckt. Das Eiland empfing sie mit unzähligen Geräuschen halbwilder Tiere und dem Rauschen der Blätter im auflandigen Wind.
    Am Ende des Landungsstegs öffnete sich der Dschungel zu einem schmalen, sandigen Pfad. Die Calcoper führten die Gruppe durch das Halbdunkel des Waldes etwa zwei Pfeilschüsse weit. Dann öffnete sich der Wald zur rechten Hand und ließ eine kleine, windgeschützte Bucht erkennen.
    »Eine Siedlung«, stellte Hesert fest. »Und ein Tempel…«
    »Quenyamdi heißt die Siedlung«, antwortete ein Calcoper, »und der Tempel ist dem HÖCHSTEN geweiht. Aber noch nie wurde im Tempel geopfert.«
    Von Yucazan her wußten Luxon und die Seinen, daß das Atoll den Magiern als Treffpunkt und als wichtiger Außenposten diente. Unbeachtet von den Piraten und den Rebellen von Loo-Quin, denn eine abergläubische Scheu hielt sie alle von Quenya fern.
    »Es sieht nicht so aus, als ob viele Menschen in der Siedlung wohnten!« murmelte einer der verkleideten Krieger.
    »Meist sind die Häuser unbewohnt. Nur dann, wenn sich Magier und, selten genug, Hexenmeister versammeln, erwacht alles zu neuem Leben«, sagte der Calcoper nicht ohne Feierlichkeit.
    »Sind wir, ist unsere Botschaft aus Lyrland ein solcher Anlaß?« fragte der falsche Luminat.
    »Man wird sehen«, entgegnete der Krieger.
    Sie gingen hinter den ersten Büschen des Strandes wiederum auf einem Pfad entlang, der sich zu einem kleinen Platz erweiterte. In unregelmäßigem Rund umgaben Hütten, die auf Steinsäulen standen und sonst aus Holz, Lehm und Flechtwerk errichtet waren, den Platz. Am höchsten Punkt, im Schatten mächtiger Bäume, standen der Tempel und einige Steingebäude, aus deren Kaminen dünner Rauch aufstieg.
    Wartete dort der Hexenmeister auf sie? fragten sich Luxon und Hesert.
    Aiquos war nicht zu sehen, ebensowenig jemand, der mit Sicherheit zu seiner
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