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Der überflüssige Mensch: Unruhe bewahren (German Edition)

Der überflüssige Mensch: Unruhe bewahren (German Edition)

Titel: Der überflüssige Mensch: Unruhe bewahren (German Edition)
Autoren: Ilija Trojanow
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zwischen den verschiedenen Abteilungen der Produktion und Information. (…) Um im Leben zu bestehen, werden die Menschen gezwungen sein, die Pyramiden zu verlassen und mit ihren Mitmenschen auf weniger hierarchische Art zu verkehren. Die oft beschworene Netzwerkstruktur, mit anderen Worten eine basisdemokratische Form der gesellschaftlichen Organisation, wird einen offenen Zugang zu Information und Entscheidungsprozessen bieten. Sie beruht auf Dezentralisierung, auf verbundenen und interagierenden Mitgliedern und Netzwerken, die kooperativ und nicht antagonistisch miteinander verkehren. (…) Um Zuschauer in Akteure, Herrschaftssubjekte in freie Bürger, die Wählerschaft in einen Demos zu verwandeln, wird es allerdings eines langen und komplizierten Prozesses bedürfen.«
    Die politische Apathie hierzulande erscheint – anders ist sie angesichts der enormen Umwälzungen unserer Zeit nicht erklärbar – wie die Ruhe vor dem Sturm. Das Verschwinden der Lohnarbeit wird einen wachsenden Teil der Gesellschaft überflüssig machen, bis schließlich ein kritisches Stadium erreicht sein wird, in dem die Herrschaft des Kapitals nur noch durch den Einsatz von Gewalt (also außerökonomischen Zwangs) aufrechtzuerhalten sein wird. Durch die zunehmende Bedeutung, die den neuen Technologien in den Arbeitsabläufen und Entscheidungsstrukturen zufällt, werden sukzessive nicht nur Fabriken und Unternehmen entvölkert, sondern auch die verschiedenen Ebenen der Staatspyramide. Das Ergebnis in einem unveränderten System der Marktwirtschaft ist, wie schon beschrieben, eine steigende Arbeitslosigkeit, ein Rückgang der Kaufkraft der Bevölkerung sowie ein weiteres Anwachsen des Prekariats. Abnehmende Profite werden die Kluft zwischen Reich und Arm, zwischen den dominanten Akteuren auf der globalen Bühne, denen die letzten Wachstumsmärkte unterliegen, und den Massen der zum Zusehen Verdammten, die ohne Hoffnung und Perspektive ums reine Überleben kämpfen, noch weiter vertiefen.
    Dies wird nicht zu dem oft – wenn auch unter verschiedenen Vorzeichen – beschworenen Ende der Geschichte führen, sondern die Sicherheitsarchitektur unserer Welt destabilisieren. In längerfristiger Perspektive werden sich diese Spannungen negativ auf die existierenden Macht- und Vermögensstrukturen auswirken. »Wenn ein System infolge langsamer, doch stetiger Veränderung, aufgrund der Fluktuation und des asynchronen Oszillierens seiner Subsysteme destabilisiert wird und sein Gleichgewicht verliert, reagiert es hochsensibel auf innere wie äußere Kräfte, die bis zu diesem Punkt macht- und erfolglos versucht haben, das System zu verändern oder zu zerstören. Die Auswirkungen dieser Kräfte scheinen von außen betrachtet als Zufall. Das System beginnt, sobald es seine Stabilität verliert, sich irrational zu verhalten. Die Gesetze, nach denen es existierte und funktionierte, besitzen keine Geltung mehr. In einem solchen revolutionären Moment ist es unmöglich, die Richtung der Veränderung vorherzusehen.« So die Einschätzung von Georgi Konstantinow.
    Wird das System in sich zusammenbrechen? Wird es angesichts von repressiven Selbstbehauptungskämpfen der Eliten erstarren oder sich in Chaos auflösen? Oder wird es sich auf einem höheren Organisationsniveau neu formieren? Verwirklicht sich wieder einmal ein Albtraum oder eine weitere Utopie?

Apokalypse soon
    Gehn ma halt ein bisserl unter,
    Mit Tsching-tsching in Viererreihn
    Immer lustig, fesch und munter,
    Gar so arg kann’s ja net sein.
    Liebend gerne gehen wir als Menschheit unter, mit einem Bierchen in der Hand vor dem Fernseher, den Mund voller Popcorn im Multiplex.
    »The Book of Eli«
    »I am Legend«
    »2012«
    »Doomsday«
    »The Road«
    »28 Weeks Later«,
    so eine zufällige und unvollständige Auswahl der vielen Filme aus den letzten Jahren, die uns apokalyptischen Kitzel garantierten. Im Fernsehen taumeln Zombies im Wochentakt, die Serie »The Walking Dead« gehört zu den erfolgreichsten der letzten Zeit, von Publikum und Kritik hochgelobt, und die eigenen Kinder lesen sich durch eine kandierte dystopische Albtraumtrilogie namens »Tribute von Panem«. Endzeitvisionen sind en vogue.
    Wieso eigentlich? Wieso beglückt uns das mediale Aussterben unserer Spezies, die Verödung des Planeten, die auf die Spitze getriebene Brutalität unserer Zivilisation? Wieso entfliehen wir unserem Alltag in den Weltuntergang? Eine naheliegende Erklärung drängt sich auf. Die katastrophalen
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