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Der überflüssige Mensch: Unruhe bewahren (German Edition)

Der überflüssige Mensch: Unruhe bewahren (German Edition)

Titel: Der überflüssige Mensch: Unruhe bewahren (German Edition)
Autoren: Ilija Trojanow
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eine ähnliche Aufgabe erfüllen werden wie die Lufthansa-Piloten von heute: den Patienten bzw. Passagieren Zuversicht zu vermitteln sowie im seltenen Fall kontrollierend einzugreifen.
    In bestimmten Bereichen kann sich die skizzierte Entwicklung aus unterschiedlichen Gründen verzögern, aber die globalen Triebkräfte der Effizienzsteigerung und Profitmaximierung werden der massenhaften Lohnarbeit unausweichlich den Garaus machen. In der industriellen Landwirtschaft ist die Entwicklung bereits stark vorangeschritten. Eine US-amerikanische Farm mit weniger als 700 Hektar ist unrentabel und könnte ohne Subventionen nicht überleben. Wenn zukünftig eine Hundertschaft von ferngesteuerten Traktoren zum Ernteeinsatz kommt, werden die Farmen die Größe des Saarlands haben müssen, und der Anteil der landwirtschaftlich Beschäftigten wird noch weiter sinken, von gegenwärtig ein Prozent der Bevölkerung auf ein Hundertstel Prozent. Der Baumwollanbau in Texas zum Beispiel ist schon wortwörtlich eine One-Man-Show – es reicht die Arbeitskraft eines einzigen Farmers, unterstützt von entsprechenden Maschinen und Chemikalien. Die traditionelle Landwirtschaft ganzer Regionen ist dabei, unrentabel zu werden, weswegen die Kleinbauern keine Zukunft im Kapitalismus haben.
    Unter den Bedingungen eines zugespitzten globalen Wettbewerbs kann es sich kein größeres Unternehmen leisten, bei der Automatisierung seiner Produktionsabläufe zurückzubleiben. Dieser Zwang wirkt auch in den Billiglohnländern. Foxconn, der weltweit größte Computerproduzent mit Werken in China und Taiwan, will im Zeitraum von 2012 bis 2014 in eine Million Roboter investieren, um – laut Aussage des Firmengründers Terry Gou – wachsende Lohnkosten zu bekämpfen und die Effizienz zu verbessern. Das bedeutet, dass schon in einigen Jahren bei Foxconn mehr Roboter als Menschen arbeiten werden.
    In Anlehnung an die bahnbrechende Arbeit des bulgarischen Mathematikers Georgi Konstantinow möchte ich diesen radikalen Wandel von Wirtschaft und Gesellschaft durch Computer (elektronische Technologie) und automatisierte Prozesse (Roboter), die robotronische Revolution nennen. Sie betrifft alle Branchen der Wirtschaft, den Produktions- wie den Dienstleistungsbereich, den Energie- und den Transportsektor, den Handel wie auch das Bankwesen. Sie führt zudem zu einer Konzentration in der Unternehmenswelt. Die Positionierung der eigenen Produkte auf den internationalen Massenmärkten gerät zur Überlebensfrage. In diesem Kampf setzen sich diejenigen durch, die den höchsten Grad an Effizienz und Rentabilität erreicht haben. Die meisten existierenden Firmen werden früher oder später liquidiert bzw. geschluckt, wie das Beispiel der Automobilindustrie zeigt, eine der Branchen, die schon früh und in großem Umfang auf Rationalisierung und Automatisierung gesetzt hat – gegenwärtig sind weniger als zwei Dutzend multinationale Wettbewerber übrig geblieben.
    Die allermeisten Ökonomen ignorieren diesen Paradigmenwechsel bislang. Innerhalb des Dogmas der klassischen und herrschenden Volkswirtschaftslehre ist Lohnarbeit eine unerschöpfliche Ressource, da technologischer Fortschritt im Zusammenspiel mit dem freien Markt angeblich für immer neue Arbeitsplätze sorgt. Bislang haben Innovationen tatsächlich neue Arbeitsfelder aufgetan, aber mit einem rein historischen Argument lässt sich keineswegs beweisen, dass es auch in Zukunft so weitergehen wird. Schließlich kennt die Geschichte gelegentlich revolutionäre Umbrüche (manche Futurologen benutzen gemäß der Definition des Mathematikers Vernor Vinge den Begriff Singularität), die zu unvorhersehbaren Explosionen führen. Festen Glaubens beten unsere Politiker neue Arbeitsplätze herbei, obwohl die Reaktion der Wirtschaft nach der letzten Krise ein eindeutiger Vertrauensbeweis zugunsten des Maschinenparks ist – in den vergangenen Jahren ist in den USA erheblich mehr in Maschinen und Software investiert worden als in Arbeitskraft. Die weiterhin exponentiell wachsende Automatisierung und die zunehmende Verarmung breiter Teile der Bevölkerung deuten darauf hin, dass es eher einem Alchemisten gelingen wird, mit seinen Mixturen und Zaubersprüchen Gold zu fabrizieren, als unseren Ökonomen, die Massenarbeitslosigkeit zu überwinden.

Die Segnung der Maschinen
    Die Arbeit hat restlos über alle anderen Arten zu existieren triumphiert, genau in der Zeit, als die Arbeiter überflüssig geworden sind. (…) Wir erleben
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