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Der überflüssige Mensch: Unruhe bewahren (German Edition)

Der überflüssige Mensch: Unruhe bewahren (German Edition)

Titel: Der überflüssige Mensch: Unruhe bewahren (German Edition)
Autoren: Ilija Trojanow
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das Paradox einer Arbeitergesellschaft ohne Arbeit, wo Ablenkung, Konsum und Freizeitbeschäftigungen den Mangel an dem, wovon sie uns ablenken sollen, nur noch verstärken.
    Unsichtbares Komitee, Der kommende Aufstand
    Lohnarbeit ist das Rückgrat des kapitalistischen Systems, denn ohne Löhne keine breite Kaufkraft, ohne Kaufkraft keine Nachfrage, ohne Nachfrage keine Massenmärkte, kein Wachstum, keine zukünftige Produktion. Mit anderen Worten: das Fundament unseres Wirtschaftssystems wird durch eine Entwicklung untergraben, für die das konventionelle volkswirtschaftliche Denken keine Lösungen parat hält. Nicht zuletzt, weil sich die wenigsten von uns eine Gesellschaft ohne Lohnarbeit vorstellen können.
    Bald schon werden sich grundsätzliche Fragen stellen. Maschinen sind keine Konsumenten, sie träumen, während sie rechnen und rattern, weder von Pistazieneis noch von High Heels. Wer wird sich die in automatisierten Prozessen hergestellten Produkte leisten können? Zunehmend weniger Menschen. Vielleicht gibt es aus dieser Sackgasse keinen kapitalistischen, sondern einen gegenwärtig noch utopisch erscheinenden Ausweg: das Ende von Profit und Kapital.
    Vier Fünftel der Menschheit sind bislang von den Auswirkungen der robotronischen Revolution nur indirekt betroffen, weswegen die durchschnittlichen Preise und Profite weltweit für einen gewissen Zeitraum noch steigen werden, zugunsten jener Happy Few unter den Unternehmen, die den ruinösen Konkurrenzkampf bestehen.
    Sobald die Kontrolle über die automatisierten Industrien in den Händen zunehmend weniger Oligarchen liegt (angesichts der Entwicklungen eine durchaus wahrscheinliche Zukunftsvision), wird man sich die arbeitslosen Massen, die auf die Wohltätigkeit des Staates oder privater Philanthropen angewiesen sind, vom Leibe halten müssen. Man wird die Polizei, die privaten Sicherheitskräfte und andere Spezialtruppen im Krieg gegen Kriminalität, Terror und Aufruhr verstärken, und wir werden uns immer weiter entfernen von einer demokratischen Welt mit gewissen Freiheitsrechten. Sind die Möglichkeiten fetter Dividenden erst einmal erschöpft und nur noch eine dürre Rendite zu erwarten, werden unausweichlich größere Kriege vom Zaun gebrochen werden müssen.
    Die Ironie dabei: auch die Kriegsführung wird, und zwar mit besonderer Rasanz, automatisiert. War die Armee bis vor Kurzem noch Auffangbecken für viele, die gesellschaftlich an den Rand gedrängt worden sind, so wird sie zukünftig eher als mörderisches Experimentierfeld für robotronische Entwicklungen dienen. Die im medialen Scheinwerferlicht aufsteigenden Drohnen sind nur ein Aspekt der Vertreibung des Menschen aus dem Militär (die US Army verfügt inzwischen über mehr unbemannte Flugkörper als über konventionelle Flugzeuge). Unbemannte Minensucher namens PackBot sind seit Jahren im Einsatz im Irak und in Afghanistan. Mit SWORDS existiert schon ein bewaffneter ferngesteuerter Roboter, bereit zum Einsatz auf dem Schlachtfeld der Ehre. Sein Gestell kann jede Waffe tragen, die weniger als 150 Kilo wiegt, seine fünf Kameras können alles in einem Radius von bis zu 400 Metern detailliert erkennen, selbst nachts. Das Pentagon finanziert aufwendige Bioengineering-Projekte, bei denen die Möglichkeiten des Hirn-Maschine-Interface erforscht werden. Nur mit den Gedanken soll man eine Drohne fliegen lassen können, und die von ihrer Kamera aufgenommenen Bilder sollen direkt im eigenen Gehirn gespeichert werden. Der GT-Maxhelicopter kann schon autonom fliegen, indem er alle dafür nötigen Entscheidungen selbstständig fällt, inklusive der Reaktion auf verändertes Wetter oder den Angriff eines Feindes. Allein Generäle und Militärseelsorger werden noch vonnöten sein, denn auch Maschinen müssen gesegnet werden, bevor sie in die Schlacht geschickt werden.
    Die Folgen der robotronischen Revolution werden auch die uns geläufigen administrativen Strukturen grundsätzlich infrage stellen. »Heute klammern sich die Verwaltungen mit ihren Satrapen noch an Amtsstuben und an ihre traditionelle Macht«, schreibt Georgi Konstantinow, »doch wird ihre Position schwächer, je mehr die neuen Technologien gesellschaftlich bestimmend werden. Dieser Prozess führt zu radikalen Veränderungen in der Mentalität und in den traditionellen Beziehungen zwischen Staat und Bürokratie, zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten. Die neuen Technologien erfordern horizontale Formen der Koordination und Kommunikation
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