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Der Turm der Könige

Der Turm der Könige

Titel: Der Turm der Könige
Autoren: Nerea Riesco
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sie verkaufte. Der Preis hing von Alter und Geschlecht ab und dem körperlichen Zustand, in dem sie sich befanden. Nach einer Schätzung von Kirchenbeamten aus dem Jahre 1565 kam je ein Sklave auf vierzehn freie Bürger.
    Sklaven zu besitzen, war in Sevilla ein Zeichen von Wohlstand. Die Frauen waren normalerweise im Haushalt tätig, als Haushälterinnen oder Bedienstete der Nonnen. Die Männer arbeiteten in den Werkstätten, den Stallungen oder im Garten. Ihre sevillanischen Herren behandelten sie anständig, und manchmal entstand eine enge Beziehung zwischen ihnen, durch die sie zu Vertrauten und Freunden wurden, die beinahe zur Familie gehörten. Es sind Fälle dokumentiert, in denen voller Bewunderung, Respekt und Zuneigung von ihnen gesprochen wird. Ein Beispiel ist die schwarze Sklavin der Gräfin von Santa Gadea, die nach ihrem Tod im Jahr 1735 ein ehrenvolles Begräbnis erhielt und im Pantheon der Familie beigesetzt wurde. Die liebenswerte Mamita Lula mag eine fiktive Gestalt sein, aber sie ist nicht weit von der gesellschaftlichen Realität jener Zeit entfernt.
    Die Kirche hielt damals die Existenz von Sklaven für völlig normal. Schließlich fordert schon der heilige Paulus in der Bibel die Sklaven auf, ihren Besitzern stets zu gehorchen, und die Besitzer, die Sklaven gerecht und angemessen zu behandeln. Vielleicht waren die Kleriker deswegen von Anfang an sehr darum bemüht, Sorge für sie zu tragen. 1393 beschloss der Erzbischof von Sevilla, Gonzalo de Mena, ein Spital zu gründen, wo man sich nicht nur um ihre Gesundheit kümmerte, sondern auch um ihre christliche Unterweisung. Daraus entstand schließlich eine Bruderschaft, der sämtliche Schwarzen der Stadt angehörten. Mitte des 16. Jahrhunderts erkor sie Unsere Jungfrau von den Engeln und den Allerheiligsten Christus am Kreuze zu ihren Schutzpatronen, und bis Mitte des 19. Jahrhunderts gehörten ihr ausschließlich Schwarze und Mulatten wie unsere Mamita Lula an. Heute befindet sich die
Hermandad de los Negritos
in der Calle Recaredo und ist eine der ältesten und angesehensten Bruderschaften der Stadt. Ihre Prozession findet am Abend des Gründonnerstag statt.
     
    Der Leser mag sich außerdem fragen, was an dem Pakt zwischen Alfons X. und Kadi Axataf wahr und was erfunden ist. Ohne Zweifel war die Eroberung Sevillas eines der größten Ziele, das König Ferdinand  III . der Heilige in seiner Regierungszeit erreichen wollte. Dabei wurde er von hohen Adligen, den Ritterorden und seinem eigenen Sohn Alfons begleitet, der später als Alfons der Weise bekannt werden sollte. Der junge Prinz war damals bereits ein geachteter Ritter und ein geschickter Diplomat, vor allem aber war er ein unruhiger Geist, der sich für sämtliche Formen von Kunst und Wissenschaft interessierte. Eine seiner großen Leidenschaften war das Schachspiel. Tatsächlich war bei der Eroberung Sevillas die Strategie dieses Spiels vonnöten: eine Flotte, welche die Versorgung über den Fluss abschnitt, Truppen, die auf dem Landweg vorrückten, dazu die Gebete von Don Remondo und die Hilfe der Madonna der Schlachten. Die Belagerung Sevillas dauerte zwei Jahre, während der die kastilischen Truppen ihr Lager in Tablada aufschlugen. Von dort aus konnte man den Turm der Moschee sehen, von dem zahlreiche Autoren behaupten, er habe als astronomisches Observatorium gedient. Vielleicht interessierte sich Alfons, der sich auch mit Astronomie befasste, deshalb so für ihn.
    Die Chroniken berichten, dass die Muslime, als sie König Ferdinand die Schlüssel der Stadt übergaben, darum baten, den wunderbaren Turm ihrer Moschee zerstören zu dürfen. Sie wollten nicht die Schmach erleiden, ihn in Christenhand zu sehen. Da ergriff Prinz Alfons das Wort und sagte: »Wenn auch nur ein Stein daran fehlt, werde ich sämtlichen Mauren Sevillas die Köpfe abschlagen lassen.« Und niemand rührte den Turm an.
    Die Geschichte der Wette zwischen dem damaligen Infanten Alfons und Axataf ist frei erfunden: Der Turm, der später als Giralda bekannt wurde, blieb stehen, und der Abzug der Muslime aus Sevilla ging geordnet vonstatten. Chroniken der Besiegten zufolge gewährte der christliche König ihnen eine Frist, um ihren Abzug und den Transport des Mobiliars, das sie mitnehmen konnten, vorzubereiten. Nach Ablauf der Frist verließ die Bevölkerung die Stadt, die danach drei Tage leer stand. König Ferdinand ließ die abziehenden Muslime von einer bewaffneten Truppe in sicheres muslimisches Gebiet
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