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Der Tuchhändler (German Edition)

Der Tuchhändler (German Edition)

Titel: Der Tuchhändler (German Edition)
Autoren: Richard Dübell
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ziehen und die göttliche Gerechtigkeit sich um ihn kümmern.«
    »Was soll das?« rief er. »Wir hauen ihn und seine Spitzbuben in Stücke.«
    Girigel lächelte nur spöttisch auf Moniwid gesunkenes Schwert nieder. Der Pole errötete, daß es selbst in der dunklen Kirche zu sehen war.
    »Wir werden jetzt gehen«, sagte der Richter auf bayrisch. Seine beiden Helfer nickten und begannen, sich von uns zu lösen. Reckel stolperte im Griff des einen mühsam rückwärts. Girigel machte eine Kopfbewegung, und der andere schob Jana dem Richter entgegen und warf ihm gleichzeitig ein Messer zu. Girigel fing es mit seiner gesunden Hand mühelos auf, umklammerte Jana von hinten und drückte ihr die Messerspitze gegen das Herz; weiter konnte er nicht hinaufreichen. Moniwid hob das Schwert und machte einen Schritt auf ihn zu, und derjenige, der das Messer an Reckeis Kehle hielt, drückte es ein wenig stärker gegen seinen Hals. Ich erwartete, Blut zu sehen, aber dazu war die Klinge zu stumpf. Reckel schluckte und ließ kein Auge von mir.
    Ich fühlte, wie ich plötzlich von Müdigkeit erfaßt wurde. Gerade eben noch war ich zum Zerreißen angespannt gewesen; jetzt schien mir, als brauchte ich nichts so nötig wie einen Stuhl, um mich zu setzen. Ich legte die Hand auf Moniwids linken Arm und sagte zu Richter Girigel: »Laßt Gnade walten.«
    Er lächelte verkrampft.
    »Dieselbe Gnade, die Ihr auch mir gewähren wolltet?«
    »Geht mir aus den Augen«, rief ich.
    Girigel warf einen Blick zu Reckel hinüber und dann zurück zu mir. Er schien beinahe überrascht zu sein, daß er so leicht davonkommen sollte. Er nickte mir hinter Janas Rücken zu.
    »Die Gefangenen in Burghausen könnt Ihr selbst abholen. Diese beiden hier lassen wir laufen, sobald es für uns ungefährlich ist. Irgend jemand wird sie wieder zurück in die Stadt mitnehmen. Ich habe kein Verlangen danach, noch ein paar Leben auf dem Gewissen zu haben.«
    »Ein Wort aus Eurem Mund ist nicht viel wert«, sagte ich, und es schien ihn zu treffen.
    »Ich habe doch erklärt, daß ich keine Wahl hatte«, flüsterte er. »Habt Ihr nicht zugehört? Und wen habe ich letztlich beseitigt? Einen Ehebrecher, der sich mit dem Blut seiner Geliebten einen Batzen Geld erschlichen hat, eine Hure und einen Parasiten.«
    Ich öffnete den Mund, und er wehrte mich ab.
    »Leiert mir jetzt nur nicht das sechste Gebot herab«, sagte er scharf. »Ihr könnt mir nicht weismachen, daß Ihr so christlich denkt.«
    »Maßt Euch nicht an, meine Gedanken zu kennen«, sagte ich angewidert. »Außerdem schreit das Blut der Gefolterten und des ertränkten Flößers zum Himmel. Sie waren keine Parasiten.«
    Girigel biß die Zähne zusammen.
    »Ihr seid auch nur ein sentimentaler Idiot«, sagte er.
    »Und Ihr seid verdammt«, erwiderte ich und hörte mich selbst voller Erstaunen das sagen, was Bischof Peter in dieser Situation gesagt hätte: »Gott sei Eurer armen Seele gnädig.«
    Er sagte nichts mehr. Mit einem Kopfnicken bedeutete er seinen Helfern zu gehen. Der Mann, der den alten Reckel festhielt, ging zuerst; er ging rückwärts und zerrte Reckel als Schild vor sich her, während er ihm noch immer das Messer an den Hals preßte. Girigel mit Jana als Geisel ging als nächster; den Abschluß machte der zweite Schurke. Auch sie bewegten sich rückwärts, die Gesichter uns zugewandt. Wir folgten ihnen vorsichtig. Ich bückte mich und hob die Laterne auf, die Girigel auf den Boden geworfen hatte; die Kerze war umgefallen, aber sie brannte noch, und ich richtete sie auf und leuchtete ihnen hinterher. Ich nahm an, daß sie Pferde dabeihatten, die vor dem Kirchenportal standen. Es machte keinen Sinn, ihnen bis nach draußen nachzulaufen, aber ich brachte es nicht über mich, bewegungslos hier drinnen zu verharren. Auch Moniwid setzte sich ohne Aufforderung in Bewegung und schritt mit gesträubtem Bart und zornfunkelnden Augen hinter ihnen her.
    Sie hatten einen Stein auf die Schwelle des Kirchenportals gelegt, damit die Tür nicht ganz zufallen konnte; sie wollten sich auf ihrem Fluchtweg nicht behindern. In der Reihenfolge, in der sie aufgebrochen waren, traten sie ins Freie, ohne noch ein Wort an uns zu richten. Nur ihre Blicke ruhten auf uns und besonders auf Moniwids Linker, mit der er das Schwert umkrampfte. Ich hielt die Laterne hoch und starrte in Janas Angesicht. Ihre glänzenden dunklen Augen waren ohne zu blinzeln auf mich gerichtet. Ich sah zu Reckel hinüber. Er hatte die Augen geschlossen und
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