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Der Traum des Kelten

Der Traum des Kelten

Titel: Der Traum des Kelten
Autoren: Vargas Mario LLosa
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Freiheit gefochten wurde, die sich die Brigadeauf die Fahnen geschrieben hatte? Der Weltkrieg hatte sich bis in den Mittleren Osten ausgeweitet. Deutschland und die Türkei versuchten, die Briten aus ihrer ägyptischen Kolonie zu vertreiben. Sie könnten sich an diesem Kampf gegen die Kolonialmacht, für die Unabhängigkeit Ägyptens beteiligen. Da die Brigade noch klein war, müsste sie sich einer anderen Armee anschließen, doch sie würde dabei ihre irische Identität wahren.
    Roger hatte diesen Vorschlag mit den deutschen Behörden abgesprochen, die ihre Zustimmung gegeben hatten. John Devoy und McGarrity waren einverstanden. Die Türkei würde die Brigade unter den von Roger gestellten Bedingungen in ihre Armee eingliedern. Es wurde lange debattiert. Am Ende erklärten sich siebenunddreißig Brigadiers bereit, für Ägypten zu kämpfen. Die übrigen erbaten sich Bedenkzeit. Andererseits wurden die Brigadiers von einer wesentlich akuteren Sorge umgetrieben: Die Gefangenen von Limburg hatten gedroht, sie bei den englischen Behörden anzuschwärzen, damit das britische Militär die Auszahlung der Soldatenpensionen an ihre Familien in Irland einstellen würde. Wenn das geschähe, würden ihre Eltern, Frauen und Kinder verhungern. Was würde Roger dagegen tun?
    Es war anzunehmen, dass die britische Regierung Repressalien dieser Art ausüben würde, aber auf diesen Gedanken war Roger gar nicht gekommen. In die besorgten Mienen der Brigadiers blickend, konnte er ihnen nur versichern, dass ihre Familien niemals in Stich gelassen werden würden. Wenn sie keine Pensionen mehr bekämen, würden die patriotischen Organisationen ihnen beistehen. Noch am selben Tag schrieb er dem Clan na Gael mit der Bitte, einen Fonds einzurichten, um die Verwandten der Brigadiers zu unterstützen, die unter etwaigen Zwangsmaßnahmen zu leiden hätten. Doch er machte sich keine großen Illusionen: So wie die Dinge standen, würde alles Geld, das in die Kassen der Volunteers , der Irish Revolutionary Brotherhood und von Clan na Gael floss, für den Kauf von Waffen verwandt werden, das war dieallerhöchste Priorität. Reumütig warf er sich vor, dass allein seinetwegen fünfzig irische Familien Hunger leiden und im folgenden Winter womöglich von der Tuberkulose dahingerafft würden. Pater Crotty versuchte ihn zu beruhigen, doch diesmal waren seine Worte ohne Wirkung. Das alles lastete schwer auf Rogers Gewissen und beeinträchtigte seine Gesundheit aufs Neue, und auch seelisch fühlte er sich so angegriffen wie während der schwierigsten Zeiten im Kongo und im Amazonasgebiet. Er fürchtete, den Verstand zu verlieren, wahnsinnig zu werden.
    Er kehrte nach München zurück, von wo aus er weitere, die finanzielle Situation der Brigadiersfamilien betreffende Schreiben nach Irland und in die Vereinigten Staaten sandte. Da seine Briefe den Umweg über mehrere europäische Länder nahmen, wo sie jedes Mal neue Umschläge und Adressaten erhielten, damit der britische Geheimdienst sie nicht abfing, trafen die Antworten erst ein oder zwei Monate später ein. So lebte Roger in einem Zustand tiefster Niedergeschlagenheit, als endlich der schwungvolle und optimistische Hauptmann Robert Monteith eintraf, um die militärische Leitung der Brigade zu übernehmen. Der Offizier brachte das offizielle Versprechen mit, dass die Familien der Brigadiers, sollten sie Opfer von Repressalien werden, sofortige Hilfe von den irischen Revolutionären erhalten würden.
    Hauptmann Monteith, der unmittelbar nach seiner Ankunft in Deutschland nach München reiste, um Roger aufzusuchen, war erschrocken, ihn so krank anzutreffen. Er brachte Roger große Bewunderung und tiefen Respekt entgegen. Er sagte, niemand in der irischen Unabhängigkeitsbewegung ahne, dass seine Gesundheit so angegriffen sei. Roger verbat ihm, darüber nach Irland zu berichten, und fuhr mit ihm nach Berlin zurück. Dort stellte er Monteith in der Reichskanzlei und in der Obersten Heeresleitung vor. Der junge Offizier brannte vor Ungeduld, sich an die Arbeit zu machen, und legte eine eherne Zuversicht hinsichtlich der Zukunft der Brigade an den Tag, die Roger längst verloren hatte. Die sechs Monate,die Robert Monteith mit ihm in Deutschland verbrachte, waren ebenso segensreich für Roger wie Pater Crottys Gegenwart. Beide hielten ihn davon ab, der völligen Verzweiflung anheimzufallen, die ihn vielleicht tatsächlich in den Wahnsinn getrieben hätte. Der Geistliche und der Offizier waren
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