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Der Traum der Hebamme / Roman

Der Traum der Hebamme / Roman

Titel: Der Traum der Hebamme / Roman
Autoren: Sabine Ebert
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tun.
    Vermutlich war immer noch ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt. Albrecht von Wettin, der nunmehrige Herrscher der Mark Meißen, würde nicht vergessen haben, dass Thomas dem Kaiser die Nachricht überbrachte, wie er seinen Vater, den alten Markgrafen Otto, gefangen genommen hatte, um die Macht an sich zu reißen. Und noch weniger würde Albrecht ihm nachsehen, in die Dienste seines verhassten jüngeren Bruders getreten zu sein.
    Dass sie auf Pilgerreise ins Heilige Land gewesen waren, würde weder Thomas noch Dietrich helfen, auch wenn Wallfahrer unter dem Schutz des Papstes standen. Kein Einziger der Kreuzfahrer war bis nach Jerusalem gekommen. Die wenigen vom einst viele tausend Mann starken Heerbann des Kaisers Friedrich von Staufen, die die Angriffe auf dem Marsch, die Hitze, den Weg durch die Steppe ohne Wasser und Nahrung und die Schlachten überlebt hatten, die nicht von Seuchen dahingerafft worden oder bei der fast zweijährigen Belagerung Akkons schlicht verhungert waren, folgten unmittelbar nach der Einnahme der Stadt ihrem Anführer Leopold von Österreich und kehrten zurück in die Heimat, weil der englischen König Richard den Herzog zutiefst beleidigt hatte.
     
    Eine verschlafen wirkende Schankmagd kam in den Stall, sah sich suchend um, dann stakste sie auf den jungen Ritter zu, knickste und reichte ihm einen großen Becher Bier und eine Schüssel mit dampfend heißer Kohlsuppe, in der ein paar gräuliche Fleischbrocken schwammen.
    Thomas schüttelte sein tropfnasses dunkles Haar und strich es zurück, ehe er beides entgegennahm. Er stellte die Suppe auf einem Querbalken ab und trank einen Schluck Bier, ohne auf den Geschmack zu achten. Die Knechte hatten den Pferden inzwischen Wasser gegeben und Hafersäcke umgebunden, ihnen die Sättel abgenommen und sie mit Stroh trockengerieben. Dann gingen sie nach einer Verbeugung vor dem Ritter hinaus. Thomas hörte noch, wie ihnen jemand über den Hof zurief, einer solle mehr Brennholz bringen und ein anderer zwei Eimer Wasser vom Brunnen holen.
    Er lehnte sich an einen Pfosten und verlor sich in Erinnerungen, während die Suppe neben ihm erkaltete.
    Ein leises Rascheln riss ihn aus seinen Gedanken.
    Mit ein paar gewaltigen Sätzen war er in der Ecke, in der er einen Schemen wahrgenommen hatte, riss den Mann hoch, der sich angeschlichen hatte, und wuchtete ihn gegen die hölzerne Rückwand des Stalls, die unter dem Aufprall erbebte.
    »Was hast du hier zu suchen?«, brüllte er. Der zu Tode erschrockene Fremde umklammerte das Messer, mit dem er sich am Gurt des prächtigsten Sattels – dem Graf Dietrichs – zu schaffen gemacht hatte.
    Ein gedungener Mörder!, war Thomas’ einziger Gedanke, als er bemerkte, dass der Gurt angeschnitten war. Plötzlich rauschte ihm wieder das Blut durch die Adern, wie auf dem Schlachtfeld sah er nichts weiter als das Gesicht des Mannes, den es zu töten galt. Er zog sein Schwert mit einer so schnellen Bewegung, dass der andere nicht fliehen konnte, holte aus und schlug ihm mit aller Wucht den Kopf ab.
    Dann drehte er sich um, ohne noch einen Blick auf den enthaupteten Leichnam zu werfen, und ging zurück zu dem Pfosten. Keuchend von der Anstrengung, sank er auf ein Knie. Nach einigen Atemzügen stemmte er sich wieder hoch und wischte die blutige Klinge mit einer Handvoll Heu ab.
    Sein Geschrei war trotz des trommelnden Regens bis ins Gasthaus durchgedrungen; der erschrockene Wirt, der Anführer der Reisigen und fünf seiner Männer rannten herbei. Augenblicke später folgte ihnen Graf Dietrich mit langen Schritten.
    »Dieser Kerl hat Euern Sattelgurt angeschnitten, mein Fürst!«, berichtete Thomas. Beschämt senkte er den Kopf. »Verzeiht meine Unbeherrschtheit. Ich hätte ihn fragen sollen, wer ihn geschickt hat.«
    Der Graf betrachtete das abgemagerte, ernste Gesicht des jungen Mannes mit den umschatteten Augen.
    »Für Eure Wachsamkeit danke ich Euch«, sagte er und wandte sich an den Wirt, der entsetzt auf den Leichnam starrte.
    »Kennst du diesen Mann?«, fragte er streng.
    Mit der Fußspitze stieß der Wirt gegen den Kopf des Toten, um einen Blick auf dessen Gesicht werfen zu können, und bekreuzigte sich. »Das ist einer von den Gesetzlosen, die hier die Wege unsicher machen. Seht, er hat das Henkersmal! Er sollte letzten Sommer gehenkt werden, weil er eine junge Frau und ihren Säugling erschlagen hatte. Doch der Strick riss, so kam er frei. Sicher wollte er die silbernen Beschläge stehlen.«
    Nun sank der Wirt vor
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