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Der Traum der Hebamme / Roman

Der Traum der Hebamme / Roman

Titel: Der Traum der Hebamme / Roman
Autoren: Sabine Ebert
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flüsternd an Clara. Mit Bedacht hatte er sie vor aller Ohren nur als »Schwester seines Ritters« bezeichnet. Sie hatten vor seiner Abreise durchaus die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass sie in Weißenfels unter falschem Namen Zuflucht suchen musste, um vor seinem Bruder sicher zu sein.
    »Nur Euer Burgkommandant kennt meine wahre Herkunft«, berichtete Clara ebenso leise. »Er riet mir, hier bloß meinen zweiten Namen zu benutzen, Maria. Die anderen wissen lediglich, dass ich eine junge Witwe bin. Sie glauben, dass Fürstin Hedwig mich und mein Kind hierherschickte, damit ich nach dem Tod meines Gemahls etwas Ruhe und Abgeschiedenheit finde.«
    Sie ist Witwe! Und sie hat ein Kind von Reinhard!
    Thomas zuckte zusammen bei diesen Neuigkeiten. Dabei entging ihm, dass auch Dietrich Mühe hatte, jede Regung in seinen Gesichtszügen zu unterdrücken.

Ungewissheit
    H oheit, bitte erlaubt mir eine Frage«, begann der Anführer der Wachmannschaft, als sich Dietrich mit seinen ranghöchsten Gefolgsleuten auf der Burg sowie Thomas und Clara in sein Quartier zurückgezogen hatte. Der Raum erweckte nicht den Eindruck, als sei sein Bewohner jemals fort gewesen. Entweder war hier eine tüchtige Wirtschafterin am Werk, oder die Burgbesatzung hatte jeden Tag auf Dietrichs Rückkehr gehofft und alles dafür vorbereitet. Selbst ein Feuer brannte schon – eine Wohltat für die durchnässten Männer. Und auf dem Tisch standen appetitlich duftendes Brot und Schinken für den ersten Hunger, bis das Mahl unten in der Halle fertig war. Doch niemand nahm sich etwas davon; sie alle waren zu aufgewühlt, um jetzt essen zu können.
    »Die Kämpfer, die mit Euch ins Heilige Land gezogen sind …?«, fuhr der Hagere zögernd fort, den Dietrich als Norbert angesprochen hatte. Seine Waffen und Kleidung waren ohne jeglichen Zierrat, doch von ausgezeichneter Qualität. Uneitel und vermutlich ein guter Kämpfer, überlegte Thomas, während er ihn musterte.
    »… sind alle gefallen auf dem Weg nach Jerusalem – für Gott und das Wahre Kreuz, auch wenn wir die Heilige Stadt und die wichtigste Reliquie nicht erobern konnten«, antwortete Dietrich mit kaum verhohlener Bitterkeit. »Wir werden ihrer nachher beim Mahl und mit einer Messe gedenken.«
    »Gott steh ihren Seelen bei!«, flüsterte Norbert und bekreuzigte sich. Nach einem tiefen Atemzug sagte er entschlossen: »Dann sollten wir dringend neue Kämpfer in Dienst nehmen. Hoheit, Ihr habt hier ein Dutzend Ritter und ebenso viele Sergenten unter Waffen, dazu zwei Dutzend Reisige und Bogenschützen und ein Dutzend Bürger, die Wachdienste versehen. Das würde für Friedenszeiten reichen. Aber Eure Mutter und auch vertrauenswürdige Quellen aus Meißen, Freiberg und Eisenach berichten uns, dass Euer Bruder einen Kriegszug gegen Euch plant. Er ist sogar früher aus Italien zurückgekehrt, wo er mit dem Kaiser weilte, um sofort nach Eurer Ankunft anzugreifen.«
    »Die Kornlager und Speicher sind gut gefüllt«, versicherte der graubärtige Verwalter namens Gottfried. »Wir hatten zwei Jahre keine Missernte. Im Fall einer Belagerung können wir mehrere Wochen auf der Burg ausharren.«
    Erneut meldete sich Norbert zu Wort. »Unter den Knappen sind einige, die durchaus das Zeug dazu hätten, in den Ritterstand erhoben zu werden.«
    »Als Erstes müssen Boten ausgesandt werden«, befahl der Graf von Weißenfels. »Zu meiner Mutter, zu unseren Vertrauten in der Mark Meißen und ganz besonders dringend zu Lukas nach Eisenach. Wir müssen uns auf einen Angriff vorbereiten und vor allem herausfinden, wann genau die Gegner hier sein werden.«
    »Sollen wir Verstärkung aus Eisenberg heranholen?«, schlug der hagere Burgkommandant vor. Das war ein Ort, der ebenfalls zu Dietrichs Besitz gehörte.
    »Wir können keine Bewaffneten abziehen. Gut möglich, dass mein Bruder auch dort angreift«, entschied Dietrich.
    Er hat sich verändert, dachte Clara, während sie den Mann unter gesenkten Lidern betrachtete, den sie liebte, seit sie ein Kind war, auch wenn sie stets gewusst hatte, dass es eine Liebe ohne Hoffnung war. Sein einst dunkles Haar ist von der Sonne geblichen, seine Züge wirken härter, kantiger … die Spuren der Entbehrungen und Verluste auf dem Kriegszug. Und wenn ihn auch Entschlusskraft auszeichnet, seit er dem Ritterstand angehört – nicht einmal mit der Wimper gezuckt hat er bei der Ungeheuerlichkeit, dass sein eigener Bruder Krieg gegen ihn führen will, kaum dass er aus dem
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