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Der Totenwächter - Roman (German Edition)

Der Totenwächter - Roman (German Edition)

Titel: Der Totenwächter - Roman (German Edition)
Autoren: Vanessa Farmer
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fremdländischen Namen und einer von ihnen, blond und süß anzuschauen, blinzelte ihr zu. Sie hatte die Frau im Arm. Jene Frau, die neben ihr gestanden und geweint hatte.
    Wer war diese Frau?
    Sie war so weit entfernt und es schien doch, als gehöre sie zu ihr -
    zu Sephrete!
    (Grace!)
    Sephrete!
    Ein fremder Name, ungewöhnlich ausgesprochen. Grace ...
    »Denke nicht an sie«, flüsterte Mamothma hinter seiner Maske. »Sie ist weit entfernt und sie gehört nicht zu dir. Ich bin es, der zu dir gehört. Ich bin es, dem du etwas schuldest. Und der Zeitpunkt, deine Schuld einzulösen, ist gekommen.«
    Er hob seine Hände und weiche Nebel umhüllten sie. Wispernde Stimmen und ein Wohlgefühl. Noch immer lag sie auf dem Stein. Regungslos und müde. So müde.
    Es würde geschehen, wie es geschehen musste.
    Sie würde ihre Schuld einlösen.

19
     
     
    Linda kauerte am Ufer des Flusses und untersuchte ihre Füße.
    Sie war durch Schlamm und über spitze Steine gewatet. Dem Himmel war Dank, dass sie ihre Schnürsandalen angezogen hatte, nachdem sie heute Mittag keine Ruhe gefunden hatte. Die feste Sohle hatte sie vor Verletzungen geschützt. Sie schlang ihre Arme um den Oberkörper. Es war kalt. Seitdem die Sonne den Kampf gegen die Nacht verloren hatte, fielen die Temperaturen unaufhaltsam. Das Thermometer konnte um diese Jahreszeit bis unter den Gefrierpunkt fallen - sogar in der Wüste. Sie bewegte ihre Arme, stand auf und tanzte auf und nieder, um ihren Kreislauf in Bewegung zu halten. Die nasse leichte Kleidung klebte wie eine eisige Haut auf ihr.
    Was war mit Brad und Kapitän Akbar geschehen? Wo waren sie jetzt? Wurden sie von den Jüngern gut behandelt? Oder quälte man sie? Linda zitterte, als hätte man sie an Strom angeschlossen. Ihr Körper bebte.
    Es galt, dem einmal eingeschlagenen Weg zu folgen. Und dies bedeutete, ein Taxi zu suchen.
    Sie spendete dem Nil einen letzten Blick und kletterte die Böschung empor. Irgendwo hier musste es Menschen geben. Eine Siedlung. Irgendwen, der ihr helfen würde. Über Linda beugten Dattelpalmen ihre büscheligen Köpfe. Für einen Moment war sie versucht, sich an einen der Stämme zu lehnen und in die Knie zu rutschen. Eine tiefe und dunkle Müdigkeit überzog sie. Waren es die Nachwehen der Kopfschmerzen? Wie viel konnte ein normaler Mensch ertragen? Seit acht Stunden erlebte sie Dinge, die ihr Weltbild veränderten. Bisher hatte Linda nicht eine Sekunde an Geister geglaubt. Wie würde sie in Zukunft mit diesem Wissen umgehen? Wann brannten ihre Sicherungen durch?
    Die Zeit lief ihr davon! Derart motiviert beschleunigte sie ihre Schritte. Sie fand einen schmalen sandigen Weg. Er wies zwischen zwei Felsen hindurch. Dahinter fiel das Land steil ab. Linda atmete erleichtert auf. Vor ihr erstreckte sich eine Siedlung. In den Fenstern der Lehmhäuser brannten Lichter. Helles Lachen drang zu ihr. Eine Tür wurde aufgestoßen. Musik erklang. Über der Siedlung lag eine heitere Stimmung. Sofort wurde Linda deutlich, warum dies so war. Die Sonne war untergegangen. Man schrieb Ramadan - Fastenzeit! Bis zum Tagesanbruch durfte nun jeder Moslem essen, trinken und rauchen, soviel er wollte. Diese Zeit erstreckte sich über viele Wochen. Jeden Abend wurde ein ausgelassenes Fest gefeiert. Der Duft gebratenen Fleisches wehte zu Linda herüber. Wasser lief ihr im Mund zusammen. Zielstrebig nahm sie den sich zwischen Palmen dahinschlängelnden Weg in Richtung der Häuser. Jemand brauste mit einem Moped auf den kleinen Dorfplatz. Ein Dromedar scheute und knurrte ungehalten. Um Tier und Mensch legte sich eine gewaltige Staubwolke. Kinder klatschten aufgeregt in die Hände und liefen zu dem Mann. Dieser öffnete eine Einkaufstüte und warf Süßigkeiten in die Luft. Die Kinder tobten kreischend, bis sie alles eingesammelt hatten.
    Ein Alter, der sich auf einen knorrigen Ast lehnte, tapste aus der Dämmerung herüber. Er ging gebeugt.
    Hier steht die Zeit still! Diese Menschen leben in ihrer Grundstruktur wie seit Jahrtausenden. Flussbauern. Fellachen.
    Und Mamothma war einer von ihnen gewesen. Sie verließ die Schwärze des Schattens und trat auf den Platz. Sofort war sie der Mittelpunkt aller Blicke. Touristen waren nach Sonnenuntergang entweder auf einem der großen Märkte, oder feierten in ihren Hotels oder auf den Schiffen. Diese Frau hingegen, nass, mit zerzausten Haaren und zerkratzten Beinen sah nicht so aus, als sei sie auf einer Vergnügungstour.
    Der Alte machte eine gebieterische
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