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Der tote Junge aus der Seine - Ein Fall fuer Kommissar LaBr a

Titel: Der tote Junge aus der Seine - Ein Fall fuer Kommissar LaBr a
Autoren: Alexandra Grote
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Kapuzenmann in die Kirche geführt. Es blieb einige Male stehen, wurde jedoch weitergestoßen.
    »Bingo!«, sagte Franck mit eiskalter Stimme. »Jetzt ertappen wir die Typen in flagranti. Ich glaub, ich vergesse mich, wenn ich diese Kerle gleich in die Finger kriege!«
    Claudine versuchte, Einzelheiten zu erkennen. Als das Kind jetzt zum Altar geschoben wurde, sah sie im offenen Halsausschnitt des sackartigen Gewandes einen großen, dunklen Fleck. Sie packte Franck am Arm.
    »Weißt du, wer das ist? Das ist der Junge, den Kaplan Coulon neulich als vermisst gemeldet hat!«
    Franck blickte sie entgeistert an.
    »Diese Drecksau!« Seine Stimme bebte. »Verkauft hat er ihn! Wie ein Stück Vieh an seine reichen Spender verschachert. Genau wie den anderen Jungen, den wir aus der Seine gefischt haben.«

    »Hoffentlich können wir das bald auch beweisen«, knurrte Schumann.
    »Garantiert. Morgen früh wird die schicke Jacht von diesem Ex-Staatssekretär beschlagnahmt. Der Chef hat das ja bereits veranlasst. Und ich wette, dass die Kollegen von der Spurensicherung fündig werden!« Franck gab den anderen einen Wink. »Los, kommt!«
    Mit entschlossenen Schritten verließ er den Beobachtungsplatz am Kirchenfenster. Er ging zum Hauptportal, dessen massive Eichentür die Jahrhunderte unbeschadet überdauert hatte. Er zog seine Waffe, gab den anderen ein Zeichen und drückte vorsichtig die eiserne Türklinke hinunter.
    Nichts geschah. Die Tür war von innen verschlossen.
    »Okay«, sagte Franck. »Der Chef ist verschwunden, und wir müssen angesichts dessen, was da drinnen gleich passiert, schnell handeln. Ich rufe das SEK.«
    Er nahm sein Handy aus der Hosentasche, stellte es an und wartete, dass er ein Sendesignal bekam.
     
    Als er den Gang zurückrannte, hielt LaBréa kurz bei Chantal Coquillon inne. Noch immer schien sie bewusstlos, doch LaBréa spürte ihren Puls. Er wusste, dass die Zeit knapp wurde. Hier lag eine Frau, die dringend Hilfe brauchte, und in der alten Klosterkirche lief ein kleiner Junge Gefahr, von einer Bande skrupelloser pädophiler Verbrecher missbraucht und gefoltert zu werden. Wie oft hatte er das schon über sich ergehen lassen müssen? Was hatten sie mit ihm vor, wenn sie seiner überdrüssig waren und der Hunger nach »Frischfleisch«, nach einem neuen Kick, sein junges
Leben für sie wertlos machte? Würden sie ihn entsorgen und im Meer ertränken? So wie sie es bei dem Unbekannten aus der Seine getan hatten? Noch fehlte der endgültige Beweis dafür, ebenso wie die Identität des Jungen noch immer ungeklärt war. Aber Coulon würde schon noch reden, da war LaBréa sich sicher. Früher oder später hätten sie sein Geständnis. Und die Untersuchung der Motorjacht von Ex-Staatssekretär Kahn würde weitere Beweise zutage fördern. Kurz vor dem Abflug nach Blonville hatte Claudine herausgefunden, dass das Boot in der Nacht vom 11. auf den 12. August den Hafen von Deauville verlassen hatte und erst am Morgen des 13. August wieder an seinen Liegeplatz zurückgekehrt war. Genug Zeit, um einen Menschen einige Kilometer von der Küste entfernt im Meer zu ertränken und den Leichnam dann flussaufwärts nach Paris zu schaffen.
    Als Michel Delpierre LaBréa am Nachmittag seine Geschichte erzählt hatte, standen die Zusammenhänge zwischen den beiden Mordfällen plötzlich sonnenklar vor ihnen. Delpierre hatte vor elf Jahren als Waisenjunge in der Maison de Dieu gelebt, und zwar unter seinem Geburtsnamen Michel Carnet. Dort hatte er auf fatale Weise die Bekanntschaft von Yves Ribanville gemacht. Der gläubige Katholik und eifrige Kirchgänger war ein Mann mit ausgeprägten pädophilen Neigungen. Ribanville holte den Jungen sonntags im Waisenhaus ab, fuhr mit ihm in entlegene Waldstücke, in einsame Jagdhütten, an verlassene Flussufer. Dort missbrauchte er ihn regelmäßig. Delpierre alias Carnet war damals elf Jahre alt. Ribanville schärfte ihm ein, niemandem etwas davon zu erzählen, sonst müsste er sterben.
Zum Abschied gab er dem Jungen immer eine Süßigkeit und ein kleines Taschengeld. Michel Carnet wagte nicht, Kaplan Coulon zu erzählen, was bei den Sonntagsausflügen mit Ribanville wirklich geschah. Auch im Beichtstuhl schwieg er über die Ereignisse. Wusste er doch, dass Coulon und Ribanville sehr befreundet waren. Außerdem schämte er sich furchtbar und ahnte, dass ihm sowieso niemand geglaubt hätte.
    Das Martyrium des Jungen setzte sich fort, bis er vierzehn war. Da verlor Ribanville das
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