Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tote im Kofferraum

Der Tote im Kofferraum

Titel: Der Tote im Kofferraum
Autoren: Mary Scott - Joyce West
Vom Netzwerk:
nie tun. Dann hörte sie Jim wieder brüllen: »Keith! Beeil dich.«
    Delia sah einen Mann den Hügel hinunterlaufen. Im selben Moment sah sie Keith auf seiner Stute dem Tor entgegenreiten und es mit einem herrlichen Sprung nehmen. Zur selben Zeit war der Mann, der den Hügel hinuntergerannt war, unten angelangt. Er sprang ins Wasser und watete auf das kleine Boot zu, das in Ufernähe verankert war. Aber wer war das? Bei der Entfernung war sie sich nicht sicher. Einen Moment lang glaubte sie, ihn erkannt zu haben; dann sagte sie sich, daß sie verrückt sein müßte oder daß sie träumte.
    Ganz in der Nähe hörte sie Keiths Stimme. »Wie weit ist sie unten? Ach, ja, es gibt ja nur den einen Baum. Dem Himmel sei Dank.« Dann sprang er von seinem keuchenden Pferd und nahm das Seil, mit dem er sonst die Stute festband. Delia hörte ihn fragen: »Wer von uns?« Und Jim antwortete: »Ich bin leichter. Bleiben Sie am Seil.«
    In der nächsten Sekunde hatte Jim das Seil um die Schultern gelegt und ließ sich vorsichtig an der Steilwand hinunter. Er suchte vorsichtig nach einem Halt für die Füße, kletterte wie ein geübter Bergsteiger und hatte bald die wenigen Meter bewältigt, die ihn von der vor Angst halb wahnsinnigen Frau trennten.
    Delia blickte zu Keith. Sein Gesicht war kreidebleich, und er stemmte sich mit aller Kraft gegen den Baumstamm, auf dem sie vorher gesessen hatten. »Ich kann helfen«, flüsterte Delia. Aber er schüttelte den Kopf. Seine Lippen waren fest zusammengepreßt. Aber sie konnte nicht untätig warten. Sie wagte nicht hinunterzuschauen. Sie stand wie versteinert, betete, aber wagte kaum zu hoffen, daß Jim einen Halt fand und nicht allein auf das Seil angewiesen war.
    Die Sekunden dehnten sich zu Stunden, als Keith plötzlich mit aller Kraft am Seil zog. Er keuchte vor Anstrengung, und der Schweiß trat ihm auf die Stirn. Sie dachte: Er hält nicht durch. Die Last ist zu schwer. Da erschien Jims Kopf langsam, Zentimeter um Zentimeter, am Rand der Klippe.
    Dann war es geschafft. Keith nahm Minnie Pinks erschlafften Körper aus Jims Armen. Minnies Gesicht war aschfahl, ihr Atem ging stoßweise, und ab und zu stöhnte sie leise.
    Delia beugte sich über sie, wärmte die kleinen verkrampften Hände mit den abgebrochenen Nägeln und redete beruhigend auf die Gerettete ein. Die beiden Männer standen keuchend daneben und schwiegen. Dann fragte Jim: »Haben Sie ihn gesehen?« Keith nickte. »Er rannte an mir vorbei zum Ufer hinunter. Er sah aus, als wäre er vollkommen verrückt geworden. Was zum Teufel soll das alles bedeuten?«
    In diesem Augenblick hörten sie Augustas Stimme. Sie war immer im richtigen Augenblick an Ort und Stelle. Sie warf einen kurzen Blick auf Minnie und bemerkte trocken: »Was Minnie jetzt fehlt, ist ein kräftiger Schluck Kognak. Ich habe immer einen bei mir — für den Notfall.« Sie öffnete ihre unförmige Handtasche, holte eine kleine Flasche heraus, füllte den Schraubverschluß mit Kognak und flößte ihn vorsichtig Minnie ein. Minnie hustete, schluckte aber den Alkohol hinunter. Mrs. Wharton beugte sich über sie und sagte freundlich: »Hier, liebe Minnie. Es ist alles in Ordnung. Sie sind in Sicherheit, auf dem Gras, nicht in der Nähe des Abgrunds. Trinken Sie noch einen Schluck.« Dann wandte sie sich den Männern zu. »Jim, du hast oft über die Größe meiner Handtasche gelästert. Jetzt siehst du, daß eine große Handtasche nützlich sein kann, wenn sie auch nicht dekorativ ist.«
    Jim mußte wider Willen lächeln. Dieses alte Mädchen mußte doch immer das letzte Wort haben: Aber wer hätte gedacht, daß sie eine Flasche Kognak mit sich herumschleppte? Egal, der Kognak war jedenfalls im richtigen Augenblick zur Hand. Miss Pink öffnete ihre Augen und versuchte etwas zu sagen.
    »Nein, Minnie, bleiben Sie still«, sagte Augusta bestimmt. »Wir sehen auch so, was geschehen ist. Sie brauchen es nicht zu erklären. Sie sind zu nah an den Abgrund getreten und wurden schwindelig. Wie unvorsichtig von Ihnen. Aber jetzt ist alles vorbei.«
    Dann überraschte Miss Pink sie alle. Sie setzte sich mit Gewalt auf, fiel wieder zurück und starrte ihre Chefin böse an. Dann stammelte sie: »Ich bin nicht zu nah an den Klippenrand gegangen. Ich traf ihn auf dem Weg. Ich — ich freute mich, ihn wiederzusehen, und redete ihn mit Namen an. Aber er — er sah aus wie der leibhaftige Teufel. Er packte mich und stieß mich hinunter. Er — er versuchte mich umzubringen. Dabei
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher