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Der Todschlaeger

Der Todschlaeger

Titel: Der Todschlaeger
Autoren: Charlo von der Birke
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Querstangen zum Halten
    der Wäsche angebracht waren. Darüber liefen
    in der Luft zwei weitere Stangen entlang, auf
    denen die Wäsche fertig abtropfte.
    »Nun ist es ja gleich fertig, da werden Sie
    nicht traurig sein«, sagte Frau Boche. »Ich
    bleibe hier, um Ihnen zu helfen, das alles
    auszuwringen.«
    »Oh, das ist nicht der Rede wert, ich danke
    Ihnen schön«, antwortete die junge Frau, die
    die bunten Stücke in dem klaren Wasser mit
    ihren Fäusten knetete und ausschwenkte.
    »Wenn ich Bettwäsche hätte, wollte ich nichts
    sagen.«
    Aber sie mußte die Hilfe der Concierge
    trotzdem annehmen. Jede an einem Ende,
    wrangen sie einen Rock aus, einen
    minderwertigen,

    nicht

    farbechten,
    kastanienbraunen Wollstoff, aus dem
    gelbliches Wasser herauskam; da rief Frau
    Boche:
    »Sieh mal an, die lange Virginie! – Was
    kommt die denn hier waschen mit ihren paar
    Lumpen in einem Taschentuch?« Gervaise
    hatte rasch den Kopf gehoben. Virginie war
    ein Mädchen in ihrem Alter, größer als sie,
    brünett, hübsch trotz ihres etwas langen
    Gesichts. Sie trug ein altes schwarzes Kleid
    mit Volants und ein rotes Band um den Hals;
    und sie war sorgfältig frisiert, der Haarknoten
    wurde von einem blauen Chenillenetz
    festgehalten. Einen Augenblick kniff sie
    mitten auf dem Hauptgang die Augenlider
    zusammen und machte den Eindruck, als
    suche sie etwas. Als sie dann Gervaise erblickt
    hatte, ging sie steif, frech, sich in den Hüften
    wiegend, nahe an ihr vorbei und ließ sich fünf
    Zuber weiter weg in derselben Reihe nieder.
    »So eine Laune!« fuhr Frau Boche leiser fort.
    »Niemals seift sie die Ärmel ein ... Oh, eine
    famose Faulenzerin, das kann ich Ihnen sagen!
    Eine Näherin, die nicht mal ihre Halbstiefel
    wieder zusammennäht! Die ist wie ihre
    Schwester, die Poliererin, dieses Luder Adèle,
    die zwei von drei Tagen in der Werkstatt fehlt!
    Bei so einer ist weder Vater noch Mutter
    bekannt, so was lebt wer weiß wovon – und
    wenn man da reden wollte ... Was reibt sie
    denn da eigentlich? Das ist ein Unterrock,
    was? Der sieht ja ganz hübsch eklig aus, der
    wird wohl saubere Sachen erlebt haben, dieser
    Unterrock!« Offenbar wollte Frau Boche
    Gervaise einen Gefallen tun. Die Wahrheit
    war, daß sie oft mit Adèle und Virginie Kaffee
    trank, wenn die Kleinen Geld hatten.
    Gervaise antwortete nicht und beeilte sich mit
    fieberhaften Händen. Eben hatte sie ihr
    Waschblau in einem kleinen, auf drei Beinen
    stehenden Kübel angerührt. Sie tauchte ihre
    Weißwäsche hinein, schwenkte sie einen
    Augenblick auf dem Grund des gefärbten
    Wassers hin und her, dessen Widerschein
    einen lackartigen Glanz annahm; und sie reihte
    sie, nachdem sie sie leicht ausgewrungen hatte,
    an den Holzstangen oben nebeneinander.
    Während dieser ganzen Arbeit war sie
    bestrebt, Virginie den Rücken zuzukehren.
    Aber sie hörte ihr höhnisches Gekicher, sie
    fühlte, daß ihre scheelen Blicke auf sie
    gerichtet waren. Virginie schien nur
    hergekommen zu sein, um sie
    herauszufordern. Als sich Gervaise umgedreht
    hatte, sahen sie einander einen Augenblick
    lang starr an.
    »Lassen Sie sie doch«, murmelte Frau Boche.
    »Sie werden sich doch nicht etwa in die Haare
    kriegen ... Wenn ich Ihnen doch sage, daß
    nichts ist! Die da ist es nicht!«
    In diesem Augenblick, als die junge Frau ihr
    letztes Stück Wäsche aufhängte, entstand
    Gelächter an den Tür des Waschhauses.
    »Hier sind zwei Gören, die nach ihrer Mama
    fragen!« rief Charles.
    Alle Frauen beugten sich vor. Gervaise
    erkannte Claude und Etienne. Sobald sie sie
    erblickten, liefen sie mitten durch die Pfützen
    auf sie zu und klapperten dabei mit den
    Absätzen ihrer nicht zugebundenen Schuhe
    über die Fliesen. Claude, der ältere, gab
    seinem kleinen Bruder die Hand. Wo sie
    vorüberkamen, stießen die Wäscherinnen leise
    zärtliche Rufe aus, als sie sahen, daß die
    beiden etwas erschrocken waren und dennoch
    lächelten. Und ohne einander loszulassen,
    blieben sie vor ihrer Mutter stehen und hoben
    ihre blonden Köpfe hoch.
    »Schickt euch Papa?« fragte Gervaise.
    Aber als sie sich bückte, um Etiennes
    Schnürsenkel wieder zuzubinden, sah sie an
    einem Finger Claudes den Zimmerschlüssel
    mit seinem kupfernen Nummernschild, den er
    hin und her schlenkerte.
    »Aha! Du bringst mir den Schlüssel!« sagte sie
    ganz überrascht. »Warum denn?«
    Als das Kind den Schlüssel erblickte, den es
    an seinem Finger vergessen hatte, schien es
    sich zu erinnern und rief mit
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