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Der Tod wartet im Netz (Die besten Einsendungen zum Agatha-Christie-Krimipreis 2011)

Titel: Der Tod wartet im Netz (Die besten Einsendungen zum Agatha-Christie-Krimipreis 2011)
Autoren: Cordelia Borchardt und Andreas Hoh
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gut als Mörderin. Manchmal habe ich ein schlechtes Gewissen, manchmal auch Angst, doch noch entdeckt zu werden. Die meiste Zeit aber denke ich, dass ich meine Strafe schon hundertfach verbüßt habe und jetzt von einer Art himmlischer Haftentschädigung profitiere.
    Auf seinem Grab gibt es keine Blumen. Längst schon hat die Stadt einen neuen Helden. Die schwarze Platte hält ihn sicher unter sich begraben. Kalt und schwer. Sorry, Spider! denke ich und gehe vorbei. Die Blumen in meiner Hand sind nicht für ihn bestimmt.

Franz Zeller Ätzend
    Die Einsamkeit ist keine Hyäne. Sie befällt Dich nicht in einem Augenblick der Schwäche. Sie ist ein Virus. Wenn sie Dich einmal infiziert hat, wirst du sie nicht mehr los. So wie Herpes.
    Zur Hyäne kann aber werden, wer sehr gekränkt wurde. Wer in einem Augenblick der Schwäche dachte und fühlte, dass die Zeit der Einsamkeit um ist. Und deshalb bleibe ich heute länger in der Apotheke. Es sind immer irgendwelche Spezialrezepte zuzubereiten, Mischungen chinesischer Kräuter und anderer Firlefanz, der sich in der Kasse recht gut macht. Aber ich rühre keine esoterische Salbe für eine Zahnarztgattin Mitte 40 an. Ich fülle Dihydrogensulfat in ein altes Gurkenglas ab – Schwefelsäure. Sie macht aus einem Gesicht eine Brandstätte.
    Ich brauche ein Glas mit einer großen Öffnung. Nur so kann man mit einem gezielten Schwung einen Riesenschwall auf die Reise schicken. Ein Kübel wäre optimaler, aber zu auffällig.
    Ich habe Melitta vor vier Monaten via Facebook kennengelernt. Sie war die Freundin eines Freundes. Nun ja, »Freund« ist ein bisschen überzogen. Andy ist ein Mitarbeiter.
    Facebook hat mir vorgeschlagen, Melitta meiner Freundesliste hinzuzufügen. Ich bin sozial nicht so schwach, wie Sie vielleicht glauben. Ich wähle nur sehr gut aus. Darum kann ich auch keinen Mannschaftssport spielen. Nehmen Sie Volleyball. Die Vorstellung, zu sechst auf einem Platz von der Größe meines Wohnzimmers zusammengepfercht zu sein –, das macht mich ganz krank.
    Im Golfclub hingegen rede ich mit allen, die ich am Platz treffe. Aber ich habe keinerlei Ambitionen, sie nach Hause einzuladen oder mit Ihnen bei einem Charity-Turnier abzuschlagen.
    Als Melitta auf meinem Bildschirm auftauchte, hatte ich 19 Facebook-Freunde, darunter die halbe Belegschaft meiner Apotheke. Den Rest kannte ich nicht einmal von Angesicht zu Angesicht. Es ist eine sehr angenehme Art, Distanz zu halten.
    19 Freunde auf Facebook. Jetzt mal ganz ehrlich: Damit ist man beziehungstechnisch ein Outcast, eine Unperson, ein digitaler Versager. Jedenfalls keiner, den man in der virtuellen Welt ernst nehmen kann. Vielleicht hat auch dieses Wissen mitgespielt, zumindest die 20 vollzumachen.
    Melitta war anfangs eine blonde Locke. Statt durch ein mehr oder minder originelles Porträtfoto präsentierte sie sich mit einem Haarteil, was ich sehr angenehm zurückhaltend finde. Irgendwann in der Mittagspause klickte ich auf ein Foto, das sie ihrem Profil hinzugefügt hatte. Nichts Aufreizendes, keine lächerliche Pose, wie man sie sonst so oft in diesem Freundschaftsnetzwerk findet.
    Nein, Melitta war anders. Sie stellte ein Gartenfoto ins Netz, eine Feuerlilie vor einer unscharfen Engelsstatue. Das machte mich neugierig. Frau und Engel und Feuer und Garten. Klingt wie die Quadratur des Kreises. Das Weiche und das Schöne, das Ekstatische und das Sanfte.
    In der ersten Welt geht alles ganz anders. Da streift man unabsichtlich über den Arm der Frau, die man begehrt, man beginnt, dieselben Dinge interessant zu finden, und sieht sich lachend an, weil man plötzlich in derselben Zeitzone lebt und atmet, dann stoßen die Knie unter dem Tisch zufällig aneinander, und irgendwann ist Haut an Haut das Unvermeidbare und einzig Logische.
    Im Netz klickt man sich weiter. Und näher. Und man schreibt in kurzen Sätzen aufeinander zu.
    Zuerst waren es nur anerkennende Eintragungen auf jener Seite, die alle sehen, auf dem Dorfplatz der elektronischen Freundschaftswelt.
    Beneide dich um deinen engelhaften Garten.
Das war schnell hingeschrieben.
    »Ja, so kennen wir Melitta. Ein Wesen wie von einer anderen Welt«, schrieb ein anderer drunter.
    Ein Satz, der eine Nachfrage buchstäblich nahelegte.
Gibt's eine Tür zu dieser Welt? –
eine Vertraulichkeit, die ich mit einem augenzwinkernden Smiley relativierte. Und so lief das weiter, wie am Schnürchen. »klar«, schrieb Melitta zurück, »du musst nur den Schlüssel dazu finden.«
    Sie
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