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Der Tod ist mein Beruf

Der Tod ist mein Beruf

Titel: Der Tod ist mein Beruf
Autoren: Robert Merle
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hallte in der Stille seltsam wider. Wir gingen wieder hinunter, und ich betrat die Küche. Georgs Frau sah meine Uniform, führte beide Hände vor den Mund und warf ihrem Mann einen Blick zu. Georg rührte sich nicht. "Los!"
    sagte der kleine Braune und stieß mich leicht vor sich her. Ich schritt durch das Zimmer, drehte mich zu Georg und seiner Frau um und sagte: "Auf Wiedersehen!"
    Georg sagte leise und ohne den Kopf zu wenden: "Auf Wiedersehen!"
    Der kleine Braune lächelte und sagte spöttisch: "Das sollte mich wundern."
    Georgs Frau tat den Mund nicht auf. Die Amerikaner brachten mich nach Bredstedt. Wir hielten vor einem ehemaligen Krankenhaus und schritten über einen Hof, der voll Soldaten war. Sie rauchten und gingen in kleinen Gruppen umher. Keiner von ihnen grüßte die Offiziere, die mich begleiteten. Wir gingen in den ersten Stock hinauf, und man ließ mich in einen kleinen Raum eintreten. Darin standen ein Bett, zwei Stühle, ein Tisch und in der Mitte ein Ofen und ein Kohleneimer. Der kleine Braune hieß mich auf einem Stuhl Platz nehmen. Nach einer Weile trat ein Soldat ein. Er war fast zwei Meter groß und entsprechend breit. Er grüßte die beiden Offiziere mit einer unglaublichen Ungeniertheit. Diese nannten ihn Joe und sprachen lange mit ihm auf englisch. Dann wandten sie sich zur Tür. Ich stand stramm, aber sie gingen hinaus, ohne mich zu beachten.
    Der Soldat winkte mir mit der Hand, mich wieder zu setzen, und setzte sich seinerseits auf das Bett. Er setzte sich langsam und schwerfällig, das Bett knarrte, er spreizte die Beine und lehnte sich an die Wand. Während er nicht aufhörte, mich zu beobachten, zog er ein kleines Päckchen aus der Tasche, wickelte es auf, stopfte den Inhalt in den Mund und fing an zu kauen. So verging eine ganze Weile. Der Soldat ließ mich nicht aus den Augen, und ich fühlte mich durch seinen Blick peinlich berührt. Ich wandte den Kopf ab und starrte zum Fenster. Es hatte matte Scheiben, und ich konnte nichts sehen. Ich betrachtete den Ofen. Es war ein Heizkörper im Zimmer, aber die Zentralheizung funktionierte wahrscheinlich nicht. Der kleine Ofen brannte, und es war sehr heiß.
    Es verging noch eine Stunde, dann stürmte ein kleiner munterer und lebhafter Offizier herein, setzte sich an den Tisch und begann sofort, mich zu verhören. Ich sagte ihm alles, was ich wußte. Ich wanderte dann von einem Gefängnis ins andere. Ich war im Gefängnis nicht unglücklich. Ich wurde gut genährt, und meine Krisen hatten vollständig aufgehört. Doch erschien mir die Zeit, die ich dort verbrachte, etwas lang; mir eilte es, daß man zum Ende käme. Anfangs machte ich mir auch viel Sorge um Elsie und die Kinder. Und es war mir eine große Erleichterung, zu erfahren, daß die Amerikaner sie nicht, wie ich vermutete, in ein Konzentrationslager gesteckt hatten. Tatsächlich erhielt ich mehrere Briefe von Elsie und konnte ihr meinerseits schreiben. Ich dachte zuweilen an mein vergangenes Leben. Merkwürdig, nur meine Kindheit erschien mir wirklich. An alles, was nachher geschehen war, hatte ich zwar genaue Erinnerungen, aber es war eher die Art Erinnerung, die man an einen Film hat, der einen einst bewegte, aber ich hatte nicht den Eindruck, daß ich es wäre, dem dies passiert war.
    Ich mußte meine Aussage als Belastungszeuge im Nürnberger Prozeß wiederholen, und da sah ich zum erstenmal gewisse hohe Parteiführer, die ich bis dahin nur von Pressefotos kannte, auf der Anklagebank. In Nürnberg erhielt ich in meiner Zelle mehrfach Besuch, und besonders den eines amerikanischen Oberstleutnants. Er war groß, hatte ein rosiges Gesicht, blaue Augen und weißes Haar. Er wollte wissen, was ich von einem Artikel hielte, der über mich in der amerikanischen Presse erschienen war und den er mir übersetzte. Darin war gesagt, ich wäre mit dem Jahrhundert geboren und symbolisiere in der Tat ziemlich genau, was ein halbes Jahrhundert deutscher Geschichte an Gewalttätigkeit und Fanatismus enthalte. ..

    Ich sagte: ". ..und Not, Herr Oberst."
    Dann sah er mich einen Augenblick schweigend an und fuhr fort, indem er das "Sie"
    betonte: "Sind Sie in Not gewesen?"
    Ich blickte ihn an. Er sah rosig und sauber aus wie ein wohlgepflegtes Baby. Es war klar, daß er von der Welt, in der ich gelebt hatte, keine Vorstellung besaß. Ich sagte: "Ja, ziemlich."
    Er erwiderte mit strenger Miene: "Das ist keine Entschuldigung."
    "Ich habe keine Entschuldigungen nötig. Ich habe gehorcht."
    Daraufhin
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