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Der Tod ist mein Beruf

Der Tod ist mein Beruf

Titel: Der Tod ist mein Beruf
Autoren: Robert Merle
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Meinung nach hieß es bloß Zeit und Geld verschwenden, und ich konnte nicht glauben, da ich sie das tun sah, daß die Slawen jemals eine Führerrasse abgeben würden. Manche der Zeugen brachten übrigens dummes Gerede vor, das mich mehrmals außer Rand und Band brachte. So behauptete einer, er hätte mich einen Kapo schlagen sehen. Ich versuchte dem Gerichtshof klarzumachen, daß, selbst wenn ich das Ungeheuer gewesen wäre, das diese Zeugen aus mir machen wollten, ich niemals so etwas getan haben würde: es war unter meiner Würde als Offizier. Ein anderer Zeuge behauptete, er hätte mich Häftlingen, die man erschoß, den Gnadenschuß geben sehen. Ich erklärte von neuem, daß das völlig unmöglich wäre: Es kam dem Führer eines Erschießungskommandos zu, den Gnadenschuß zu geben, und nicht dem Lagerkommandanten. Der Lagerkommandant hatte das Recht, den Hinrichtungen beizuwohnen, aber nicht, selbst zu schießen. Die Dienstvorschrift war in dieser Hinsicht sehr bestimmt. Es war klar, daß der Gerichtshof keinen Wert auf mein Leugnen legte und daß er vor allem das, was ich sagte, gegen mich auszunutzen suchte. Einmal rief der Ankläger: "Sie haben dreiundeinehalbe Million Menschen getötet."
    Ich verlangte das Wort und sagte: "Ich bitte um Verzeihung, ich habe nur zweiundeinehalbe Million Menschen getötet."
    Im Saal entstand ein Gemurmel, und der Staatsanwalt rief, ich sollte mich meines Zynismus schämen. Ich hatte indessen nichts anderes getan, als eine ungenaue Zahl berichtigt. Die meisten Wechselreden mit dem Staatsanwalt verliefen auf diese Weise. Zur Absendung meiner Lastwagen nach Dessau, um Giftgasbüchsen zu holen, fragte er: "
    Warum waren Sie so besorgt, Ihre Wagen nach Dessau zu schicken?"
    "Wenn die Reserven an Gas abzunehmen begannen, mußte ich natürlich mein möglichstes tun, um den Vorrat aufzufüllen."
    "Kurz gesagt, für Sie waren sie dasselbe wie Reserven an Brot und Milch?"
    sagte der Staatsanwalt. Ich antwortete geduldig: "Dafür war ich da."
    "Also", rief der Staatsanwalt mit triumphierender Miene, "Sie waren dafür da, daß möglichst viel Gas vorhanden war, um so viele Menschen wie möglich zu vernichten."
    "Das war Befehl."
    Der Staatsanwalt wandte sich dann zum Gerichtshof und bemerkte, daß ich es nicht nur übernommen hätte, die Juden zu liquidieren, sondern auch, daß es mein Ehrgeiz gewesen wäre, die größtmögliche Anzahl von ihnen zu liquidieren.

    Daraufhin bat ich noch einmal ums Wort und machte den Staatsanwalt darauf aufmerksam, daß das, was er soeben gesagt habe, nicht richtig sei. Ich hätte niemals Himmler geraten, die Zahl der Juden, die er mir schickte, zu erhöhen. Ganz im Gegenteil hätte ich wiederholt das RSHA gebeten, das Tempo der Transporte zu verlangsamen. "Sie können doch nicht leugnen", sagte der Staatsanwalt, "daß Sie in Erfüllung Ihres Vernichtungsauftrags besonders eifrig und voller Initiative gewesen sind?"
    "Ich habe Eifer und Initiative in der Ausführung der Befehle bewiesen, aber ich habe nichts getan, um diese Befehle herauszufordern."
    "Haben Sie etwas getan, sich von dieser entsetzlichen Tätigkeit zu befreien?"
    "Ich habe darum gebeten, an die Front gehen zu dürfen, ehe der Reichsführer mir den Auftrag erteilte, die Juden zu liquidieren."
    "Und nachher?"
    "Nachher stellte sich die Frage nicht mehr. Es hätte so ausgesehen, als ob ich mich hätte drücken wollen."
    "Diese Aufgabe sagte Ihnen also zu?"
    Ich sagte bestimmt: "Durchaus nicht, sie sagte mir durchaus nicht zu."
    Darauf machte er eine Pause, sah mir fest in die Augen, breitete die Arme aus und begann wieder: "Nun sagen Sie uns, wie Sie darüber denken. Wie sehen Sie jetzt diese Art Aufgabe an?"
    Ein Schweigen entstand, aller Augen waren auf mich gerichtet, ich überlegte einen Augenblick und sagte dann: "Es war eine unangenehme Arbeit."
    Der Staatsanwalt ließ seine Arme sinken, und im Saal entstand ein neues Gemurmel. Kurz darauf sagte der Staatsanwalt: "Ich lese in Ihrer Zeugenaussage: 'Die Juden versteckten oft ihre Kinder unter ihren Kleidungsstücken, statt sie in den Vernichtungsraum mitzunehmen. Das Sonderkommando der Häftlinge hatte daher Befehl, die Kleidungsstücke unter Aufsicht von SS-Männern zu durchsuchen und die Kinder, die man fand, in den Vergasungsraum zu werfen."' Er hob wieder den Kopf. "Das haben Sie doch gesagt, nicht wahr?"
    "Ja."
    Ich setzte hinzu: "Doch ich lege Wert darauf, eine Berichtigung vorzunehmen."
    Er machte eine zustimmende Geste, und ich fuhr
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