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Der tibetische Agent: Shan ermitteltRoman (German Edition)

Der tibetische Agent: Shan ermitteltRoman (German Edition)

Titel: Der tibetische Agent: Shan ermitteltRoman (German Edition)
Autoren: Eliot Pattison
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hier in diesen endlosen Hügeln wie alle anderen aussah. Das Gelände vor ihnen war unbekannt und in Nebel gehüllt. Doch als die Lastwagen aufschlossen und nebeneinander anhielten, hob Rapeche beide Arme und rief etwas, das wie ein Mantra klang.
    »Die Götter beleuchten heute Nacht wahrhaftig unseren Weg!«, sagte Lokesh auf einmal. Shan drehte sich verwirrt zu ihm um und folgte dann seinem Blick zu einem zunehmend heller werdenden Lichtfleck vor ihnen. Die Nebelschwaden gerieten in Bewegung, wurden binnen kürzester Zeit verweht und gaben die Sicht auf eine Landschaft im Mondschein frei.
    Jigten fiel auf die Knie. Sie befanden sich nicht einfach auf irgendeinem Hügel, sondern auf dem Grat eines Gebirgskamms, der sich wie eine Wand erhob und ein ausgedehntes Grasbecken schützte. Die Landschaft war mit kleinen Seen gesprenkelt, die wie silberne Punkte in einem wogenden Meer wirkten.
    »Die Leute sagen, bis zur nächsten asphaltierten Straße sind es in dieser Richtung ungefähr sechshundert Kilometer«, meldete Professor Yuan sich hinter Shan zu Wort. »Nicht mal die Armee verfügt über verlässliche Landkarten. Es ist eine Wildnis aus Gras.«
    Lung Tso sprang aus dem Führerhaus des ersten Lastwagens und fing an, den Fahrern Anweisungen zuzurufen. Sie setzten bis an die Kante des Grats zurück. Von der Ladefläche des letztenLasters ertönte eifriges Blöken. Auch die Tiere schienen zu spüren, wo sie waren. Die Schafe waren der Beitrag der Jadekrähen, um in den Plan einbezogen zu werden. Sansan hatte der Bande die Fahrtzeiten der Transporter mitgeteilt, von denen die Regierungsschlachthäuser im Norden über die zentrale Schnellstraße mit Vieh beliefert wurden. Die Schmuggler hatten den Rest erledigt. Am Ende der Nacht würden die Jadekrähen in Richtung Osten verschwunden sein, um sich in irgendeiner Stadt in einer fernen Provinz falsche Papiere für ihre Lastwagen und sich selbst zu kaufen und von vorn anzufangen. Was von dem Kopfgeld noch übrig war, nachdem sie die dropkas für die Reise ausgestattet hatten, hatte Shan an Lung weitergegeben. Wenn die Polizei irgendwann auf dem Bauernhof der Jadekrähen auftauchte, würden sie ihn verlassen vorfinden, abgesehen von einem kleinen Buddha, der auf dem Torpfosten saß.
    Die aufgeregten Rufe der Schafe weckten die Passagiere, die auf den Ladeflächen der anderen Laster geschlafen hatten. Die hinteren Planen wurden hochgeklappt, und fröhliche Gesichter kamen zum Vorschein. Freudenschreie und Dankgebete erklangen, und die dropkas fingen an, ihre Vorräte abzuladen. Eine der Ersten, die heruntersprang, war Chenmo, und auch sie strahlte. Sie umarmte Shan schüchtern. »Onkel Lokesh sagt, ich werde ab jetzt die Nonne des Clans sein. Ich habe ihm gesagt, dass man mir niemals ein Gewand geben würde, und er hat geantwortet, dass dich zur Nonne macht, was in deinem Herzen ist, und nicht, was du anhast.« Sie berührte das gau der Äbtissin, das nun um ihren Hals hing, und drehte sich um, um einen kleinen Jungen von der Ladefläche zu heben.
    Während Shan beim Entladen des ersten Lastwagens behilflich war, tauchten der Professor und Sansan auf und wuchteten sich schweres Gepäck auf den Rücken.
    »Es tut mir leid«, sagte Shan, »aber es bleibt keine Zeit, denHirten bei der Suche nach einem Lagerplatz zu helfen. Wir müssen bei Tagesanbruch zurück im Tal sein.«
    Yuans Lächeln war so breit wie die Landschaft weit war. »Kommen Sie uns im Frühling besuchen«, sagte er. »Dann wird ein Lammzeitfest gefeiert.«
    Shan starrte seinen Freund ungläubig an. »Überlegen Sie sich das noch mal, Yuan. Sie unterschätzen die Entbehrungen.«
    »Jemand muss all ihre Geschichten aufzeichnen. Die Welt muss davon erfahren. Die Hirten, die in die Städte gezwungen wurden, müssen davon erfahren. Bei den Nomaden hat es früher einen ehrwürdigen Berufsstand gegeben, nämlich den des reisenden Briefschreibers, der Nachrichten verfasst und zwischen den Clans überbracht hat. Vielleicht wird das meine neue Tätigkeit sein.«
    »Haben Sie auch nur die geringste Vorstellung, wie streng der Winter sein wird?«
    »Jigtens Mutter hat versprochen, uns zu zeigen, wie man dicke Filzdecken anfertigt. Seit sie weiß, dass sie in ihre Heimat zurückkehren würde, geht es ihr von Tag zu Tag besser. Sie sagt, wenn sie erst mal da ist, kann sie für Sansan und sich geeignete Medizin herstellen.«
    Sansan nahm Shans Hand und drückte sie fest. Dann lief sie zum Lastwagen, um einem weiteren Kind nach
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