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Der tibetische Agent: Shan ermitteltRoman (German Edition)

Der tibetische Agent: Shan ermitteltRoman (German Edition)

Titel: Der tibetische Agent: Shan ermitteltRoman (German Edition)
Autoren: Eliot Pattison
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von ihm.
    Auch Norbu sah sie einen Moment lang verwirrt an, fing sich aber schnell wieder. »Leutnant Meng!«, begrüßte er sie. »Endlich kommen Sie einmal gelegen.« Er zeigte auf Shan. »Dieser Mann ist ein entflohener Krimineller. Major Liang hatte ihn festgenommen.«
    »Major Liang ist abgereist«, erklärte Meng, »zurück zu seinem Friedensinstitut.«
    Norbu warf ihr einen tadelnden Blick zu und handelte dann überraschend flink. Er täuschte eine Bewegung in Richtung Meng an, sprang vor und riss Shan die Pistole aus dem Hosenbund. »Leutnant Meng«, sagte Norbu und klang dabei nun wie ein vorgesetzter Offizier, »Sie müssen diese beiden« – er wies auf Shan und Chenmo – »in Gewahrsam nehmen. Kontaktieren Sie Major Liang. Die Gefangenen müssen sicher untergebracht werden. Eine dieser Einrichtungen für kriminelle Geisteskranke wäre nicht schlecht.«
    Chenmo stimmte ein leises, ängstliches Mantra an.
    Meng ging gehorsam um Norbu herum und zog die benommene Novizin von Cora weg, hin zu einem der Polizisten. Shan erstarrte, denn er erkannte, dass Meng tatsächlich wieder eine Kriecherin war. Er hatte ihre Veränderung gesehen, hatte bemerkt, dass sie mit etwas in sich rang. Die Lügen, die sie Liang aufgetischt hatte, jagten ihr nun Angst ein, denn ihr war klar geworden, auf welch gefährliches Terrain sie sich dadurch begeben hatte. Also machte sie einen Rückzieher, um ihr Fehlverhalten gegenüber der Regierung zu sühnen.
    Norbu schien sich prächtig zu amüsieren. Er nahm belustigt die Pistole in Augenschein. »Das ist Jamyangs Werk«, sagte er und zeigte auf die kleinen aufgemalten Symbole. »Sogar während unserer Ausbildung hat er immer irgendwas gekritzelt oder gezeichnet. Er hat zu viel Zeit darauf verwandt, seine Tarnung aufzubauen, und am Ende hat er selbst daran geglaubt«, sagte er zu Shan wie ein Profi zu einem anderen. »Wir müssen die Schulung neu justieren.«
    Shan warf Meng einen weiteren besorgten Blick zu. Sie konnte ihre sämtlichen Taten ungeschehen machen, konnte zu einer Heldin werden und sogar ihren früheren Rang zurückbekommen, indem sie alle hier verhaftete: Shan, den verräterischen Sträfling, die purbas , die zweifellos irgendwo in der Nähe waren, Chenmo, die Revisionistin, und schließlich Cora, die Amerikanerin, die nach Ansicht der Öffentlichen Sicherheit unbedingt verschwinden musste. Er unterdrückte seine Angst und wandte sich wieder an Norbu. »Das geschieht, wenn man Leute darauf abrichtet, ihr wahres Ich zu ignorieren.«
    Norbu lachte gequält auf. »Das wahre Ich, Genosse? Wir sind alle nichts als Ton, der durch das Mutterland geformt wird.«
    »Und welche Form werden Sie annehmen, Norbu, wennSie erst einmal in Indien sind?«, fragte Shan. »Nur die eines Spions? Oder wird es die eines Meuchelmörders sein? Nach der Art und Weise zu schließen, auf die Sie Lung Wi und die drei im Kloster ausgeschaltet haben, sind Sie ein echtes Naturtalent.«
    »Eine Ausbildung ist nur dann vollständig, wenn sie sowohl den Geist als auch den Körper betrifft. Die Möglichkeiten sind endlos. Ich bin nur ein Werkzeug, das nach dem Willen des Volkes eingesetzt wird.«
    »Das Werkzeug einer Bande alter Männer in Peking, die schon vor vielen Jahren jeden Kontakt zum Volk verloren haben«, gab Shan zurück.
    »Gesprochen wie der reuelose Verbrecher, der Sie sind«, höhnte Norbu. »Liang wird Sie schon davon kurieren.« Er schaute zu Meng, die hinter ihm stand, und hob wieder die Pistole. »Dieser ehemalige Sträfling hat eine Schusswaffe besessen. Notieren Sie das. Das gibt mindestens zehn Ketten.« Er bemerkte Chenmo, die an einem Felsen zusammengesackt war und schluchzte. »Und durchsuchen Sie diese verfluchte Einsiedelei der Nonnen. Da stinkt es in jeder Ecke nach Revisionismus. Man hätte den Ort schon vor Jahren dem Erdboden gleichmachen sollen.«
    Schließlich wandte er sich der Amerikanerin zu. Cora schien all ihre Kraft verloren zu haben. Sie war zu Boden gesunken und hatte sich dann auf den Knien aufgerichtet, als wolle sie etwas erflehen. Doch ihre Miene wirkte keineswegs resigniert. »Sie haben sie getötet«, sagte sie auf Englisch zu Norbu – mit leiser, aber gleichmäßiger Stimme. »Sie haben sie abgeschlachtet. Ich habe es gesehen. Dann haben Sie die Leichen in Position gelegt, als würden Sie Holzscheite stapeln. Es hat Ihnen regelrecht Spaß gemacht.«
    Shan hatte keine Ahnung, ob Norbu sie verstand. Doch dann lachte der Abt und erwiderte in tadellosem
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