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Der Thron der Welt

Der Thron der Welt

Titel: Der Thron der Welt
Autoren: Robert Lyndon
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Dunkelheit.
    Ein Soldat versuchte, Vallon den Ring vom Finger zu zerren. Als es ihm nicht gelang, zog er sein Messer.
    «Warte», sagte Drogo und beugte sich im Sattel vor. «Wie wirst du genannt? Womit verdienst du deinen Unterhalt?»
    «Vallon, ich bin ein Franke, der mit normannischen Söldnern in Anatolien gekämpft hat. Und das ist mein Diener, Hero, ein Grieche aus Sizilien.»
    «Und wie ist es dir gelungen, deine Haut zu retten, Franke?»
    «Ich war auf einem Erkundungsritt im Norden, als die Seldschuken angriffen. Niemand wusste, dass sie so nahe an uns herangekommen waren. Nach der Katastrophe haben wir Nachricht erhalten, dass sie Männer von der gegnerischen Seite suchten, um über die Lösegelder für ihre Gefangenen zu verhandeln. Es war meine Christenpflicht, mich dafür zu melden.»
    Drogo schnaubte. «Beschreibe meinen Bruder.»
    «Blond, mit einem guten Gesicht. Sein scharfer Verstand hat ihn am Hof des Emirs schnell beliebt gemacht.»
    Drogo zog hörbar den Atem ein. Von weit her drang schwach und einsam der Ton eines Waldhorns. Drogo drehte sich im Sattel um, als hätte ihn ein anderes Geräusch aufgeschreckt, aber Hero war klar, dass es kein anderes Geräusch gab – nur das Knarren von Leder, das Zischen der Fackeln und sein eigener, jagender Herzschlag. Schnee sammelte sich zwischen den Gliedern von Drogos Kettenhemd, und Hero wusste, was ihm durch den Kopf ging. Kein anderer Sterblicher konnte sie hier sehen. Diese Stelle, an der sie von Drogo und seinen Leuten im Dunkel der Nacht eingekreist worden waren, würde zum Ort ihres Todes werden.
    «Bringt sie über den Fluss und tötet sie. Ich bleibe hier bei den Pferden. Wenn die anderen zurückkommen, erzählt ihnen, ihr hättet die Fremden bei einem Fluchtversuch niedergemacht.»
    Zwei der Soldaten trieben Vallon mit ihren Schwertspitzen vor sich her. Derjenige, der Drax hieß, packte Hero am Kragen und fing an, ihn über die Brücke zu schleifen.
    «Und bringt mir diesen Ring mit zurück», brüllte ihnen Drogo nach.
    Warum hatte Vallon nicht auf seine Warnung gehört? Mit dieser Frage zermarterte sich Hero das Hirn, während er seinem Herrn hinterherstolperte. Es war Selbstmord gewesen, mitten in der Nacht vor der Burg verhandeln zu wollen.
    Er war halb über die Brücke, als ein Aufschrei vor ihnen Drax dazu brachte, stehen zu bleiben und Hero noch fester zu packen. Hero erkannte lediglich die schwankenden Fackeln von Vallons Eskorte. Dann fiel eine davon in den Schnee und verlosch rauchend. Hero vernahm eine Serie schwer zu deutender, dumpfer Schläge und Ausrufe, das Aufeinanderprallen von Metall, einen Schmerzensschrei und dann ein leises Aufspritzen von Wasser. Einen Moment später verlosch auch die zweite Fackel, sodass das gesamte jenseitige Ufer in unheimlichem Dunkel lag.
    Drax schüttelte Hero. «Bewegst du dich, bist du tot.» Dann ließ er ihn los, hob sein Schwert und seine Fackel und beschrieb damit sinnlos Fächerbewegungen, um besser zu sehen. «Fulk? Roussel?»
    Irgendwer stöhnte.
    «Fulk, bist du das? Herr im Himmel, nun antworte schon!»
    «Ich glaube, mein Handgelenk ist gebrochen.»
    «Wo ist Roussel?»
    «Der Franke hat ihm mein Schwert an die Kehle gelegt.»
    «O zum Teufel.»
    «Was ist da los?», rief Drogo.
    Drax wandte sich um. Hero hörte ihn schlucken. «Der Franke muss sich befreit und Fulks Schwert an sich gerissen haben.»
    Da erklang Vallons Stimme aus dem dunklen Nichts. «Drogo, ich habe deine Männer in meiner Gewalt. Lass meinen Diener gehen.»
    «Tut nichts ohne meinen Befehl», brüllte Drogo. Als Vorbote seiner Wut begann die Brücke zu zittern. Hero schrak zurück, als er vorbeigaloppierte. Auf der anderen Seite angekommen, stellte sich Drogo in den Steigbügeln auf und erhob seine Fackel. In ihrem schwachen Licht sah Hero Vallon, der mit einem Schwert bewaffnet war und Roussel im Würgegriff hielt. Fulk hatte sich zusammengekrümmt und hielt sich die Schulter.
    «Es war nicht meine Schuld», stöhnte er. «Roussel ist ausgerutscht und hat mich dabei angestoßen. Der Franke hat den Vorteil genutzt und …»
    «Schweig! Um euch feige Schwachköpfe kümmere ich mich später.» Drogo galoppierte auf Vallon zu. «Und was dich angeht …»
    Vallon zog sich ein paar Schritte zurück und benutzte Roussel als Schild. «Wir haben keinen Streit.»
    «Keinen Streit?» Die Kluft zwischen dieser Behauptung und seinem Zorn machte Drogo sprachlos. Als er seine Stimme wiedergefunden hatte, klang sie anders, kehlig,
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