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Der Thron der roten Königin

Der Thron der roten Königin

Titel: Der Thron der roten Königin
Autoren: Philippa Gregory
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nicht, auf einem eigenen Pferd zu sitzen und geführt zu werden, nicht einmal, als wir nach London kommen und Hunderte von Menschen in den Straßen, auf Plätzen und aus den Läden heraus die fünfzig Mitglieder unseres Haushaltes angaffen, als wir vorbeireiten. Wie kann ich ihnen als Heldin zur Rettung Englands erscheinen, wenn ich im Damensitz hinter Wat durchgeschüttelt werde, die Hand an seinem Gürtel, wie eine Dorfschlampe auf dem Weg zum Gänsemarkt. Ich erwecke ganz und gar nicht den Eindruck einer Erbin des Hauses Lancaster. Wir übernachten nicht am Hof, sondern in einem Gasthaus. Mein Vormund, der Duke of Suffolk, ist vor seinem Ableben in Ungnade gefallen, und deswegen können wir nicht in seinem Palast absteigen. Ich mache Unsere Liebe Frau darauf aufmerksam, dass wir in London kein eigenes großes Haus haben, doch dann denke ich daran, dass sie in Bethlehem auch mit einem einfachen Gasthaus vorliebnehmen musste, obwohl Herodes im Palast sicherlich einige leerstehende Räume hatte. Es muss doch wohl geeignetere Unterkünfte gegeben haben als einen Stall. Wenn man bedenkt, wer sie war. Und so versuche ich, mich wie sie in mein Schicksal zu ergeben.
    Wenigstens bekomme ich ein Londoner Kleid, bevor wir zum Hof gehen, um mein Verlöbnis zu lösen. Meine Frau Mutter bestellt Schneider und Näherinnen in unseren Gasthof ein, und ich werde mit einem wunderbaren Kleid ausgestattet. Sie erzählen, dass die Damen jetzt bei Hofe einen hohen, konischen Kopfschmuck tragen, so hoch, dass sie sich selbst unter einem mehr als zwei Meter hohen Türdurchgang noch ducken müssen, um hindurchzukommen. Die Königin, Margarete von Anjou, liebt schöne Kleider. Sie trägt sie in einem neuen Rubinrot, das aus einem bisher unbekannten Farbstoff hergestellt wird. Man erzählt sich, es sei so rot wie Blut. Im Gegensatz dazu bestellt meine Mutter ein Kleid von engelhaftem Weiß, das mit den roten Rosen des Hauses Lancaster besetzt ist, um alle daran zu erinnern, dass ich zwar nur ein neunjähriges Mädchen bin, aber doch die Erbin unseres Hauses. Erst als die neuen Kleider fertig sind, können wir auf einer Barke den Fluss hinunterfahren, um bei Hofe vorgestellt zu werden und meinen Rücktritt vom Verlöbnis zu erklären.
    Die Lösung meines Verlöbnisses ist eine schreckliche Enttäuschung. Ich hatte gehofft, sie würden mich befragen, und ich könnte ihnen schüchtern, aber in klaren Worten mitteilen, ich wisse von Gott, dass John de la Pole nicht mein Gemahl werden könne. Ich hatte mir vorgestellt, wie ich vor einem Tribunal von Richtern stehe und sie in Erstaunen versetze wie Jesus als Kleinkind in der Synagoge. Ich hatte gedacht, ich könnte sagen, dass ich einen Traum hatte, durch den mir bedeutet wurde, dass ich ihn nicht heiraten solle, weil ich für ein größeres Schicksal bestimmt sei: Ich sei durch Gott selbst auserwählt, England zu retten! Dazu bestimmt, Königin von England zu werden und mit dem Namen Margaret Regina –
Margaret R.
– zu unterschreiben. Doch ich bekomme keine Gelegenheit, das Wort an sie zu richten und zu leuchten. Es wurde alles schon aufgeschrieben, bevor wir kamen, und man erlaubt mir nur zu sagen: «Ich widerspreche der Verlobung» und mit meinem Namen zu unterschreiben, der schlicht Margaret Beaufort lautet. Das ist alles. Niemand fragt mich, was ich von der Sache halte.
    Wir warten vor dem Audienzsaal, und ein Mann des Königs kommt heraus und ruft «Lady Margaret Beaufort!», und alle sehen mich an. Einen Moment lang, einen wirklich wunderbaren Moment lang, spüre ich, dass mich alle ansehen, und ich denke daran, in Verachtung weltlicher Eitelkeit die Augen niederzuschlagen. Dann führt mich meine Mutter in den Audienzsaal des Königs.
    Der König sitzt auf einem großen Thron unter dem Baldachin. Der Thron der Königin neben ihm ist fast genauso groß. Sie hat helle Haare und braune Augen, ein rundes, teigiges Gesicht und eine gerade Nase. Ich finde, sie sieht schön und verwöhnt aus, und der König neben ihr hell und blass. Ich könnte nicht behaupten, bei dieser ersten Begutachtung ein heiliges Licht zu erkennen. Er sieht ganz normal aus. Er lächelt mich an, als ich hereinkomme und knickse, aber die Königin sieht von den roten Rosen am Saum meines Gewandes zu der kleinen Krone, die meinen Schleier hält, und wendet den Blick ab, als hielte sie nicht viel von mir. Da sie Französin ist, hat sie vermutlich keine Vorstellung davon, wer ich sein könnte. Man hätte ihr mitteilen sollen,
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