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Der Teufel in der Weihnachtsnacht

Titel: Der Teufel in der Weihnachtsnacht
Autoren: Charles Lewinsky
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dem Soundtrack annehmen durfte, der Erlösung entgegen.
    «Na?», fragte der Teufel zum dritten Mal. «Ist das gut, oder ist das gut? Und das Tollste an dem Konzept: Das Vertriebsnetz für das Produkt existiert schon fix und fertig! Wir müssen nur diese unhygienischen offenen Becken durch Verkaufsautomaten ersetzen. Und eine neue Verpackung muss natürlich her. Irgendetwas, das Lebensfreude, Bibelfestigkeit und Hygiene zugleich ausstrahlt. Und dann bringen wir regelmäßig Spezialprodukte auf den Markt. Weihwasser ‹Lourdes› zum Beispiel, mit dem Wirkungsfaktor Plus für hartnäckige Fälle. Haben Sie sich das Kreuz als Markenzeichen eigentlich schon eintragen lassen?»
    «Nein!», schrie der Papst, der endlich seineStimme wiedergefunden hatte. «Nein, nein und nochmals nein!»
    «Eine schwere Unterlassungssünde, wenn ich mir den Ausdruck in Ihrer Gegenwart erlauben darf. Aber ich habe schon mal vorsorglich eine Liste der dringend zu schützenden Begriffe aufgestellt.» Wieder flatterte ein Computerausdruck durch den Raum.
    «Ich will davon nichts hören! Kein Wort will ich mehr hören! Ich wache jetzt auf! Sie haben Ihre Wette verloren! Ein für alle Mal verloren!»
    Vor dem Fenster erhellte ein Wetterleuchten die Nacht wie himmlisches Gelächter. Der Teufel zuckte zusammen. Plötzlich sah er überhaupt nicht mehr aus wie der diensteifrige Chef einer Werbeagentur. Hörner wuchsen aus seiner Stirne, Feuer schoss aus seinen Nüstern, und ein borstiger Schwanz sprengte den Hosenboden seines Hugo-Boss-Anzugs. «Das Spiel ist noch nicht zu Ende!», hörte der Papst ihn von allenSeiten gleichzeitig kichern, und dann sah er gerade noch, wie die Fernbedienung auf ihn gerichtet wurde und schweflige Blitze aus ihr herausschossen, er fühlte, wie er von tausend Händen gepackt und in die Luft gewirbelt wurde, und dann schwebte er im Nichts, im schwarzen, höllischen, absoluten Nichts, und zwei Lichter rasten auf ihn zu wie ein doppelter Stern von Bethlehem, sie wurden größer und größer, und dann waren sie die Scheinwerfer des Ferraris, und der Teufel, in einer diskret grauen Chauffeursuniform, riss den Schlag vor ihm auf und fragte höflich: «Wollen Sie nicht einsteigen? Es tut mir wirklich leid, dass ich vorhin so ausgerastet bin.»
    Diesmal fuhr der Teufel ganz langsam. Er respektierte Geschwindigkeitsbeschränkungen, hielt vor Stoppschildern an und bremste sogar einmal, als ein kleines Kind über die Straße rannte. Überhaupt machte er plötzlich einen sehr undämonischen, geradezu niedergeschlagenenEindruck. Einmal, aber da war der Papst nicht ganz sicher, ob er es auch richtig gesehen hatte, wischte er sich sogar eine Träne aus dem Augenwinkel.
    «Ich bringe Sie in den Vatikan zurück», war das erste, was er nach langem Schweigen sagte. «Bis in Ihr Schlafzimmer, wenn Sie wollen. Obwohl mir das nicht leichtfällt. Die vielen Kreuze, die dort überall hängen, tun mir gar nicht gut, in meinem geschwächten Zustand.»
    «Soll das heißen: Sie geben auf?»
    «Ja, ich gebe auf», sagte der Teufel kleinlaut, und diesmal war es eindeutig eine Träne, die ihm über die Wange kullerte und dort zischend verdampfte. «Ich habe mal wieder den Kürzeren gezogen. Wie immer. Das Beste wird sein, ich ziehe mich in meine Unterwelt zurück und beschränke mich in Zukunft aufs Kohleschippen für die höllischen Feuer. Zu etwas anderem tauge ich ja doch nicht. Ich bin ein Versager, das sehe ich jetzt ein. Ein kompletter Versager.»
    Der Papst hätte gerne etwas Tröstendes gesagt, aber er fand nicht die richtigen Worte. In all den vielen Büchern, die er in seinem Leben studiert hatte, war nie der Fall vorgekommen, dass ein Papst den Herrn der Unterwelt hatte trösten müssen.
    Der Teufel schniefte. «Jedes Mal geht mir das so. Jedes Mal trickst er mich aus. Dabei war es diesmal ein so schöner Plan! Ausgerechnet am Weihnachtstag den Papst verführen – das hätte sogar den Seraphim mit ihrer ewigen Singerei und Lobhudelei die Stimme verschlagen. Aber nein, es durfte ja nicht sein. Mir gönnt keiner was. Keiner. Wenn ich nicht unsterblich wäre, würde ich mich am liebsten umbringen.»
    «Nehmen Sie es sich nicht so zu Herzen», sagte der Papst.
    «Ich habe kein Herz. Nur einen Eisklumpen, den ich mit meinem heißesten Feuer nicht wegschmelzen kann. Und dabei möchte ich mich doch so gerne …» Die Stimme des Teufels brach,und das letzte Wort flüsterte er nur noch. «Und dabei möchte ich mich doch so gerne bessern.»
    Der
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