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Der Teufel in der Weihnachtsnacht

Titel: Der Teufel in der Weihnachtsnacht
Autoren: Charles Lewinsky
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ihre Figur zwischen den immer länger werdenden Regalen, fast war sie schon in der Unschärfe verschwunden. Da kam eine Stimme aus dem Off, und wahrlich, die Stimme sprach: «Für Ihre Wäsche ist Ihnen nur das Beste gut genug. Und wie steht es mit Ihrer Seele? Wenn Sie auch hier auf blütenweiße Sauberkeit Wert legen, dann sollten Sie mit uns reden. Eine katholische Kirche finden Sie auch ganz in Ihrer Nähe.»
    «Na?», sagte der Teufel erwartungsvoll. «Da hat sich meine hauseigene Werbeagentur doch wirklich Mühe gegeben. Jaja, wer kann, der Cannes. Kleiner Branchenscherz. Ich verfüge natürlich auch über die besten Leute. Aus irgendeinem Grunde landen die Werber alle bei mir. Aber Sie sagen ja gar nichts, Herr Papst.»
    Dem Papst hatte es die Sprache verschlagen. Auf seinem Bett sitzend, mitten zwischen Krümelnund kleinen Stückchen von kandierten Früchten, konnte er nur stöhnend den Kopf schütteln und abwehrende Bewegungen machen. Der Teufel schien ihn trotzdem zu verstehen.
    «Sie sind von diesem Vorschlag noch nicht hundertprozentig überzeugt? Sie haben noch Zweifel? Überhaupt kein Problem. Meine Agentur legt größten Wert auf zufriedene Kunden. Deshalb haben wir auch von Anfang an mehrere Varianten ausgearbeitet.» Er drückte auf die Fernbedienung, und der nächste Werbespot lief an.
    Zu einer Pop-Version von Händels ‹Halleluja› (interpretiert von den Regensburger Domspatzen) fuhr ein Auto durch eine wunderschöne Landschaft. Am Steuer saß ein glücklicher Vater, neben ihm eine glückliche Mutter, und auf dem Rücksitz strahlten sich zwei noch viel glücklichere Kinder in geschwisterlicher Liebe an. Unter schattige Baumkronen führte sie ihr Weg,über malerische Brücken und romantische Waldwege, vorbei an majestätischen Gipfeln und wieder zurück ans tiefblaue Meer, und immer schien die Sonne, die Vögel zwitscherten, und die Domspatzen jubilierten. Und schließlich sagte der glückliche Vater zur glücklichen Mutter: «Ist es nicht herrlich, in Urlaub zu fahren?» Da hörte die Sonne auf zu scheinen, die Vögel zu zwitschern und die Spatzen zu jubilieren, und ein Schriftzug sprang ins Bild, auf dem stand: «Diese Familie fährt gar nicht in Urlaub. Sie fährt zur Hölle. Denn sie hat vor der Abreise das Wichtigste vergessen: Beten.»
    «Na?», fragte der Teufel wieder. «In aller Bescheidenheit: Ist das nicht ein Hammer? Pretests mit einem repräsentativen Panel von Familien haben ergeben, dass bereits nach einmaligem Ansehen dieses Spots die Betfrequenz signifikant ansteigt. Wenn wir dann mit einer zweiten Kampagne nachpowern, die den Leuten einhämmert, dass die Wirksamkeit von Gebetensich bei der Benutzung von katholischen Kirchen verdoppelt … Wollten Sie etwas sagen, Herr Papst?»
    Der Papst wollte. Aber er brachte keinen Ton heraus. Es war, als ob ein dicker Klumpen von Schwester Innocentias Christpanettone in seinem Hals festsäße und ihn am Reden hinderte. Der Teufel nickte verständnisvoll.
    «Ich sehe schon, auch damit haben wir Ihren Geschmack noch nicht hundertprozentig getroffen. Sie sind wirklich kein einfacher Kunde. Aber es geht ja auch um einen Account, den ich besonders gern vertreten möchte. Ganz, ganz besonders gerne. Ich mache Ihnen noch einen andern Vorschlag.» Wieder betätigte er die Fernbedienung.
    Zu moderner Musik (wenn ihm diese Dinge ein bisschen vertrauter gewesen wären, hätte der Papst hinter den Hip-Hop-Rhythmen vielleicht ‹Sympathy For The Devil› erkannt) unterhielten sich zwei männliche Teenager über die traurigeTatsache, dass sie wegen der Pickel in ihren Gesichtern bei den Mädchen einfach nicht landen konnten.
    «Dabei wasche ich mein Gesicht doch jeden Tag mit Seife», jammerte der eine.
    «Und ich probiere eine Aknecreme nach der anderen aus», klagte der andere, «und trotzdem …» Kleine gemalte Pfeile und ein blubberndes Geräusch unterstrichen die Tatsache, dass gerade wieder ein neuer Eiterherd auf seiner Stirne erblüht war.
    Ein dritter Teenager kam dazu, fröhlich, sympathisch und ganz offensichtlich von kosmetischen Problemen total unbelastet. «Ich bin meine Akne losgeworden», sagte er strahlend, «und zwar ein für alle Mal.»
    «Wie hast du denn das gemacht? Mit Seife?»
    «Nein.»
    «Mit Creme?»
    «Nein.»
    «Wie denn dann?»
    «Ich habe den Tipp ausprobiert, den mir mein Pfarrer gegeben hat: Weihwasser!» Die Arme um die Schultern seiner Freunde gelegt, führte er sie dem Licht und, wie man nach den jubelnden Akkorden auf
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