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Der Teufel in der Weihnachtsnacht

Titel: Der Teufel in der Weihnachtsnacht
Autoren: Charles Lewinsky
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Feder, die ihm der Teufel reichte – sie war hinterrücks aus einem Engelsflügel gerupft, aber das sah man ihr nicht an –, schob das Pergament zurecht, das ihm der Teufel hingelegt hatte – ohne zu bemerken, dass es gar kein Pergament war, sondern die Haut des Esels, auf dem der Herr damals nach Jerusalem geritten war –, und setzte seinen Namen unter den Vertrag.
    Die Hölle brach los.
    Hunderttausend kichernde Teufelchen verdunkelten mit ihren Fledermausflügeln den Himmel, hunderttausend sabbernde Dämonen fraßen schmatzend die Sterne vom Firmament, und der Satan höchstpersönlich lachte und lachte und lachte.
    Und siehe, in den Kirchen der Welt verkündeten die Pfarrer hinfort von den Kanzeln: «Die zehn Gebote wurden Ihnen präsentiertdurch Krombacher Pils.» In den Kapellen hingen große Schilder über den Altären, auf denen stand: «Viel Erbauung wünscht Ihnen Beate Uhse.» In den Kathedralen sangen die Chorknaben ihre Motetten zur Melodie von «Haribo macht Kinder froh», und in den Basiliken duftete der Weihrauch nach den Fischstäbchen von Käpt’n Iglu. Jeder Kreuzweg warb für Wanderschuhe, jedes Christophorus-Bild für den Automobilklub.
    Und was noch viel schlimmer war: Im Kleingedruckten, in jenen Details, in denen bekanntlich der Teufel steckt, hatte der Heilige Vater noch ganz anderen Dingen zugestimmt. Aus ‹Amen› wurde ‹Ariel›, der Fiat in ‹Fiat voluntas tua› wurde durch einen Opel ersetzt, und statt «Halleluja» rief die Christenheit in Zukunft «Coca Cola».
    Der Satan lachte, die Dämonen grinsten, und die kleinen Teufelchen konnten sich gar nicht mehr einkriegen. Die himmlischen Heerscharenaber verhüllten ihr Haupt und weinten gar bitterlich.
    Und der Papst? Er hörte eine dumpfe Glocke erklingen, zweifellos jene Glocke, die ihn, gesponsert vom Verband der Raiffeisenbanken, zum Jüngsten Gericht rief, jene Glocke, die ihn, mit freundlicher Unterstützung der Arbeitsgemeinschaft deutscher Spielbanken, zur Rechenschaft befahl, jene Glocke, die ihm – «Für das Beste im Mann!» – die ewige Verdammnis ankündigte. Aber als er näher hinhörte, da war es gar keine Glocke mehr, sondern eine Klingel, sein Wecker schrillte und schrillte, und als er die Augen aufschlug, sah er zuerst einen leergegessenen Teller voller Kuchenkrümel, sah dann den Hausaltar mit der fast echten Michelangelo-Madonna, sah die aufgeschlagene alte Bibel auf dem Brüsseler Spitzentuch, sah das Kruzifix und den heiligen Antonius, und dann schlug jemand die schweren Samtvorhänge zurück, und das Sonnenlicht flutete ins Zimmer, und da stand auchSchwester Innocentia, die liebe, gute Schwester Innocentia mit ihrem gütigen Lächeln und ihrem kleinen Schnurrbart, und wie jeden Morgen hielt sie eine duftende Tasse Kaffee bereit, neben der zur Feier des Weihnachtstages ein großes Stück von ihrem unwiderstehlichen Dresdener Christpanettone lag.
    Da atmete der Papst tief auf, und mit einem geradezu überirdischen Lächeln sagte er: «Es war alles nur ein Traum! Der Herr sei gesegnet! Halleluja!»
    Und Schwester Innocentia lächelte zurück, bekreuzigte sich und antwortete: «Coca Cola!»

 
    Über den Autor
     
    Charles Lewinsky
     
    Charles Lewinsky wurde 1946 in Zürich geboren. Er arbeitete als Dramaturg, Regisseur und Redaktor, seit 1980 als freier Autor. Er schreibt Hörspiele, Romane und Theaterstücke und verfasste über 1000 TV-Shows und einige Drehbücher, darunter für den Film Ein ganz gewöhnlicher Jude, (Hauptdarsteller Ben Becker, ARD 2005). Für den Roman Johannistag wurde er mit dem Schillerpreis der Zürcher Kantonalbank ausgezeichnet. Sein Roman Melnitz wurde mittlerweile in zehn Sprachen übersetzt, darunter auch ins Hebräische. 2007 zeichnete man ihn in China als Besten deutschen Roman 2006 aus, in Frankreich erhielt er 2008 den Preis des besten ausländischen Romans.
     
    Daten, Fakten, Jahreszahlen
     
    Am 14. April 1946 in Zürich geboren
    Studium der Germanisitk und Theaterwissenschaft in Zürich und an der Freien Universität Berlin
    Arbeit als Dramaturg, Regisseur und Redaktor
    Seit 1980 selbständiger Autor: Hörspiele, Romane und Theaterstücke, über 1000 TV-Shows für Schweizer Fernsehen, ARD und ZDF, über 700 Liedtexte für verschiedene Komponisten
    Romane in mehrere Sprachen übersetzt
    Charles Lewinsky lebt in Zürich und Frankreich.
     
    Auszeichnungen
     
    •     2009 Prix littéraire Lipp
    •     2008 Prix du meilleur livre étranger
    •     2007 Bester
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