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Der Tee der drei alten Damen

Der Tee der drei alten Damen

Titel: Der Tee der drei alten Damen
Autoren: Friedrich Glauser
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kommt mir vor, als hätte ich ihn schon ein paarmal gesehen…«
    »Das kann sein«, erwiderte der Postbeamte, froh, die Langeweile des heißen Nachmittags mit einem Gespräch zu zersplittern. »Er war schon ein paarmal hier, aber nur um recht harmlose Telegramme aufzugeben, meistens Glückwünsche und andere unwichtige Sachen. Ich hab immer gedacht, er sei irgend ein Kammerdiener.«
    Der Korrespondent pfiff so laut, daß der Beamte ihn besorgt anblickte.
    »Natürlich«, sagte der magenkranke Herr, »das ist ja Charles gewesen, Sir Eric Boses Charles, – was man nicht alles erfährt! Ich hatte keine Ahnung, daß er daneben ein… Aber Sie dürfen das nicht verraten, verstehen Sie, Dienstgeheimnis, es könnte un-ab-seh-bare Folgen haben. – Und wieviel macht mein Telegramm?«
    Schon zwei Stunden später übten diese beiden Telegramme ihre verheerende Wirkung aus. Ein noch jugendlich aussehender Mann, rothaarig, 1 Meter 89 groß, Simpson Cyrill O'Key mit Namen, mußte seine Ferien unterbrechen, die er in Collioure, einem kleinen Fischerdorf am Mittelmeer, hart an der französisch-spanischen Grenze, verbrachte. Das kleine Postfräulein, das sie ihm übergab, wartete vergebens auf den übertrieben schmachtenden Blick, mit dem der junge Mann sie sonst stets zum Lachen brachte. Er runzelte nur mißmutig die Nasenhaut (auch dies war komisch), nickte, und am Abend war er verschwunden. Er wurde von der Bevölkerung vermißt, denn er war beliebt, weil er allnächtlich mit einem der Fischer aufs Meer fuhr zum Sardinenfang. Man erfuhr nur, daß er sich nach Port-Vendres begeben hatte, um dort den Nachtschnellzug zu nehmen, der am nächsten Morgen in Genf ankommt.
    Um halb zehn Uhr morgens betrat Cyrill Simpson O'Key das Hôtel de Russie und wartete in der Halle auf das Resultat seiner Anmeldung. Endlich durfte er in den ersten Stock steigen, auf dessen Gang ihm Sir Eric Boses Kammerdiener entgegenkam.
    »Seine Exzellenz wird Sie sogleich empfangen«, sagte Charles laut, führte O'Key in jenen Raum, den wir schon kennen (hoffnungsloser Luxus, Filmkulissen), schloß behutsam die Türe; dann sagte er mit völlig veränderter Stimme: »Setz dich, Simp, du kannst rauchen, der Alte schläft noch, wir sind ungestört. Schön, daß du gleich gekommen bist. Die Sache stinkt mir zum Hals heraus, ich kann's allein nicht mehr deichseln, und seit der Junge hat daran glauben müssen, hab ich keine Ruhe mehr. Du mußt mir helfen. Der große Chef in London weiß Bescheid, daß ich dich aufgefordert habe. Also, Baranoff scheint in die Sache verwickelt zu sein, und durch Baranoff ein alter Professor. Ich hab den Jungen, den Crawley, in der letzten Zeit nicht beaufsichtigen können, aber es sind Pläne verschwunden, sagt der Alte, und ein Bündnisentwurf, außerdem ein Projekt, von dem ich nichts weiß, das aber der Landpfleger so schwer vermißt, daß er die abendliche Gin-Ration verdoppelt hat, um schlafen zu können, – aber auch die nützt nichts. Also, sieh mal, was du machen kannst. Der große Chef hat mir eine Empfehlung mitgegeben, an den Staatsrat, der das Departement für Polizei und Justiz unter sich hat. Die kannst du haben. Sie ist allgemein gehalten. Als was willst du auftreten?«
    »Der ›Globe‹ hat mir telegraphiert, ich soll hier die Spezialreportage übernehmen. Der Fall des Sekretärs hat viel Staub aufgewirbelt. Das wird genügen, glauben Sie nicht auch, Colonel?«
    Charles legte den Zeigefinger auf seine Lippen. »Keine Titel, hier, wenn ich bitten darf. Man kann nie wissen…« Er dachte nach. »Irgend so ein alter Professor scheint mit in den Fall verwickelt zu sein, er kennt Baranoff, dieser Professor, Dominicé heißt er übrigens. Seine Haushälterin sollte man vielleicht auch im Auge behalten. Nun, du wirst dich schon zurecht finden. Die Empfehlung schicke ich dir dann zu. Du wirst doch nicht im Hotel wohnen, sondern wie gewöhnlich eine kleine Wohnung nehmen, nicht wahr?«
    O'Key verabschiedete sich. Charles begleitete ihn durch den Gang. Er hatte ein devotes Kammerdienerlächeln angelegt, als er sich von O'Key an der Treppe verabschiedete. Dann begegnete ihm ein Etagenkellner, den er anhielt.
    »Diese Journalisten«, sagte Charles, »in alles müssen sie ihre Nase stecken und immer glauben sie, daß sie aus mir altem Manne große Neuigkeiten herauspressen können. Mir hat dieser junge Tropf zwanzig Franken geschenkt, dabei besitze ich schon ein Landhaus und bin sicher reicher als er.«
    »Ja, ja«, seufzte der
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