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Der Tanz der besseren Gesellschaft (German Edition)

Der Tanz der besseren Gesellschaft (German Edition)

Titel: Der Tanz der besseren Gesellschaft (German Edition)
Autoren: Eberhard Feuchtenbeiner
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auf das nackte Hinterteil einer Dame, die es irgendwie schaffte, ausgesprochen einladend zu wirken, obwohl sie einem doch den Rücken zukehrte.
    "Was liest du da?", fragte ich automatisch mit wiederkehrender kindlicher Unschuld. "Lies mir daraus vor!"
    Was hatte ich erwartet? Sicher nicht, dass blankes Entsetzen in den Augen meiner geliebten Kindermädchen-Schwester aufleuchtete. Panisch schüttelte sie den Kopf und stammelte: "Nein, nein, Michael, das ist gar kein gutes Buch, unglaublich langweilig, such dir doch etwas anderes, alles, was du willst, ich lese dir gerne vor, aber nicht daraus, bitte, nicht daraus ..."
    Sie hätte natürlich nicht überzeugender dafür werben können, mir nun erst recht und sofort aus genau diesem und keinem anderen Buch vorzulesen, und das sagte ich ihr auch. Hanna bat mich noch, die Tür zur Bibliothek zu verschließen, dann fügte sie sich seufzend und mit noch röteren Wangen als zuvor in ihr Schicksal und begann zu lesen.

 

Kapitel Eins
    Das spezielle Zimmerservice
    Mit einem unüberhörbaren Ächzen, als wolle er alle Insassen auf sein aufopferndes Mühen aufmerksam machen, überquerte der Omnibus die Schwelle der Toreinfahrt des Hotels K., einem der ersten Häuser von Graz. Diese reizende Stadt, gleichermaßen Großstadt wie Garten, beglückt die Besucher mit ihren gepflegten, einladenden Straßenzügen, dem vielen Grün der Alleen und Parks und, allem voran, dem Anblick so schöner Frauen und Mädchen wie wohl nirgendwo anders. Bei derart vielen Sehenswürdigkeiten und Annehmlichkeiten ist es wahrlich kein Wunder, dass Graz oft und gerne von Fremden aufgesucht wird; nicht zuletzt, weil die Stadt sich ausgezeichnet als Ausgangspunkt für Ausflüge in die beeindruckende obersteirische Bergwelt eignet.
    Das städtische Leben selbst ist zudem nicht weniger anregend: Fröhliche Gesichter beherrschen die Szenerie, das rege Treiben auf den Straßen wird von ansteckender Herzlichkeit und Freundlichkeit bestimmt – so ganz anders als in anderen Großstädten, in denen Hektik und Stress überwiegen, so dass es scheint, der eine wolle den anderen umrennen auf der Jagd nach dem ganz eigenen, selbstsüchtigen Vorteil. Graz hingegen ist dem Wesen nach eine gemütliche und anheimelnde Kleinstadt von zu Herzen gehender Naivität geblieben und zugleich von der Regsamkeit einer Metropole erfüllt; die Stadt verbindet die Vorzüge beider Welten in unnachahmlicher Weise.
    Der elegante junge Herr, einer der Passagiere des Autobusses, mochte Ähnliches denken: Ein Lächeln der ruhigen, erwartungsvollen Vorfreude umspielte seine Lippen, als er sich beiläufig über seinen glänzenden, wohl gepflegten schwarzen Schnurrbart strich. Seine Haltung und sein selbstsicherer, klarer und intelligenter Blick sprachen für eine quasi angeborene Selbstsicherheit, eine edle Abkunft, und tatsächlich entstammte er einem jener alten Geschlechter, die in der entlegenen, rauen Region der bergigen Obersteiermark vor Jahrhunderten das Ritterhandwerk geübt hatten. Seine Kleidung war von modernem, vornehmen Understatement geprägt; ein Trenchcoat neuesten Zuschnitts lag neben ihm bereit, und auf seinem Kopf saß ein Hut, der alpine Tradition und weltmännische Erfahrung auf das Flotteste zu verbinden verstand.
    Dieser erste Eindruck entsprach voll und ganz der Wahrheit: Tatsächlich handelte es sich um Baron Hermann P., der seinen Gutshof im Bergland wieder einmal verlassen hatte, um der Landeshauptstadt einen Besuch abzustatten. Der Baron hatte einen Sitz im Landtag inne, den er von Zeit zu Zeit einnehmen musste, oder auch sonstige Geschäfte zu erledigen. Nicht selten reiste er auch um des reinen Vergnügens willen in die Stadt, denn sein sehr abgelegener Familiensitz versorgte ihn recht spärlich mit den süßen Freuden, für die Graz so bekannt geworden war.
    Als nun der Wagen endgültig zum Stillstand gekommen war, sprang Hermann P. behände auf und verließ als Erster den Omnibus, angetan nur mit einem kleinen Reisetäschchen für das Allernötigste; so dürfen wir wohl annehmen, dass dieses Mal keine Geschäfte oder politische Verpflichtungen auf den Baron warteten, sondern sich das stillvergnügte Lächeln in seinem Gesicht auf die nahen Verlockungen bezog, um derentwillen er in die Stadt gekommen war. Er eilte schnurstracks, sichtlich mit den örtlichen Gegebenheiten bestens vertraut, die Treppe des Hotels empor und wurde vom Zimmerkellner mit einer ehrerbietigen Verbeugung in Empfang genommen, die ihm
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