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Der Talisman (German Edition)

Der Talisman (German Edition)

Titel: Der Talisman (German Edition)
Autoren: Elisabeth von Bismarck
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mit den Wildblumen umgestoßen, so hastig sprang der Junge vom Tisch auf. Xenia runzelte missbilligend die Stirn. Durch das kleine Fenster des Wohnwagens sah Yasha die Kinder, die er an der Brücke in Budapest getroffen hatte, und viele andere fröhliche, bunt angezogene Menschen. Auch Panna, das hübsche Mädchen mit dem langen Zopf, war dabei. Alle tanzten und riefen nach Graf Gregorio.
    Endlich öffnete sich im hinteren Teil des Wohnwagens eine kleine Tür und Graf Gregorio erschien mit seiner winzigen Geige. Er lächelte Xenia und Yasha freundlich zu, trank ein Glas Wasser und schritt langsam und stolz die Holztreppe hinunter. Yasha und Xenia folgten ihm. Graf Gregorio begann auf der kleinen Geige zu spielen. Er spielte so schön, dass Yasha Tränen in die Augen stiegen. Es war, als ob die kleine Geige alle Herzen zum Schwingen brachte – die Menschen folgten Graf Gregorio durchs Dorf. Niemand konnte seiner Zaubermusik, die aus einer anderen Zeit, ja, aus einer anderen Welt zu kommen schien, widerstehen. Auch Yasha vergaß für einen Moment seine Eltern und die vielen Fragen, die er Graf Gregorio stellen wollte.
    Gemeinsam stiegen die vielen Menschen hinauf zum Pilisgebirge und gelangten zu einem großen Versammlungsplatz mitten im Wald. Als es dunkel wurde, zündeten sie ein riesiges Lagerfeuer an. Yasha und Xenia standen ein wenig abseits und beobachteten das bunte Treiben. Eigentlich legte Yasha nicht sonderlich viel Wert auf sein Äußeres, aber als Panna auf ihn zukam, war er froh, dass sein Talisman für ordentliche Kleider gesorgt hatte. Graf Gregorio und die kleine Geige spielten bis in die frühen Morgenstunden – mal melancholisch, mal schwungvoll und immer voller Leidenschaft. Viele Leute waren schon nach Hause gegangen, andere waren erschöpft vom Tanzen eingeschlafen. Das Lagerfeuer war längst heruntergebrannt, als Graf Gregorio seine kleine Geige einpackte. Xenia nickte Yasha aufmunternd zu: »Jetzt hat er Zeit für dich!« Als Graf Gregorio auf Yasha aufmerksam wurde, zeigte er als Erstes auf Yashas Talisman. »Wieso hängt er an deinem Hals?«, fragte er. »Dieser Talisman gehört dem großen Zauberer Dvorach!« Da erzählte Yasha ihm seine Geschichte und, dass er seine Eltern finden musste. Graf Gregorio hörte ihm genau zu. Dann holte er die kleine Geige heraus, die sicher schon in ihrem roten Samtkasten geschlafen hatte und fing an, zur leisen Musik der kleinen Geige eine alte ungarische Sage zu erzählen. Sie handelte von einem Bauernsohn, der eine schöne Prinzessin liebte:
    »Es war einmal ein Bauernsohn,
    der liebte die Prinzessin schon.
    Mehr jedoch liebte er die Macht,
    die die Hochzeit ihm gebracht.
    Solch Streben tat der Liebe nicht gut,
    der Zauberer Dvorach geriet in Wut.
    Des Jünglings Wünsche zu Gericht,
    Machtgier nimmt der Liebe Licht!
    Die Prinzessin, ihr Vater und das ganze Schloss
    verschwanden hinterm höchsten Berg.
    Ja, das war des Zauberers Werk.
    Der Bauernsohn fand seine Prinzessin nicht.
    Auf der Suche nach ihr sein Herz zerbricht.
    Voll Kummer hinauf zum höchsten Berg,
    mit Gott im Glauben und großer Not,
    bereute er, was sein Machtstreben bot.
    Der Zauberer sah, es freute ihn sehr,
    so gab er die Prinzessin wieder her.
    Jetzt sind die beiden ein glückliches Paar,
    weil die reine Liebe gefunden war.«
    Graf Gregorio räusperte sich und auch die kleine Geige verstummte. »Das ist eine sehr alte Sage über deinen Ururgroßvater, den Zauberer Dvorach. Aus ihr hat sich ein Sprichwort abgeleitet, das jeder bei uns in Ungarn kennt: Suchst du jemanden, den du liebst, musst du auf den höchsten Berg klettern!«, hörte Yasha Graf Gregorio noch leise flüstern, dann schlief er ein.
    Graf Gregorio
    wurde Yashas
    bester Freund. Er erzählte dem Jungen viele Geschichten über die Zauberkünste seines Vaters und seiner Vorfahren. Graf Gregorio brachte Yasha das Geigespielen bei und zeigte dem Jungen, wie man den Csardas tanzt. Der Csardas ist ein herrlicher, wilder ungarischer Tanz und Yasha tanzte ihn so gut, dass allen schwindelig wurde, die ihm dabei zusahen. Es war eine ausgelassene und schöne Zeit.
    Nur zwei Dinge stimmten Yasha traurig: Erstens konnte ihm niemand sagen wo, sich seine Eltern aufhielten, und zweitens sah er Panna, das Mädchen mit dem langen Zopf, nicht wieder. Yasha hatte sich in Panna verliebt, aber nur ein ganz kleines bisschen!



Schweren Herzens verabschiedete Yasha sich von seinen Freunden in Ungarn. Er versprach ihnen, im nächsten Frühling
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