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Der Tag der Ameisen

Der Tag der Ameisen

Titel: Der Tag der Ameisen
Autoren: Bernard Werber
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Geschwür, nur tausendmal schlimmer.«
    »Ich kann verstehen, wenn Sébastien Salta Selbstmord begangen hat«, meinte Cahuzacq noch immer zweifelnd, »aber warum sollte er seine beiden Brüder umbringen, für die kein Risiko bestand?«
    »Um ihnen die Schande des Bankrotts zu ersparen.
    Außerdem gibt es bekanntlich eine menschliche Neigung, die ganze Familie mit in den Tod zu nehmen. Im alten Ägypten haben sich die Pharaonen doch mit ihren Frauen bestatten lassen, mit ihren Dienern, ihren Tieren und ihren Möbeln! Man hat Angst, allein hinüberzugehen, also nimmt man seine Nächsten mit …«
    Allmählich geriet der Inspektor durch die Gewißheit des Kommissars ins Wanken. Es mochte zu einfach oder nachlässig erscheinen: Nur mit der Selbstmordhypothese ließ sich das Fehlen jeglicher fremden Spur erklären …
    »Ich fasse also zusammen«, fuhr Méliès fort. »Warum ist alles zugesperrt? Weil sich alles innen abgespielt hat. Wer ist der Mörder? Sébastien Salta. Was die Tatwaffe? Ein Gift mit Langzeitwirkung aus seiner Herstellung! Was das Motiv?
    Verzweiflung, Unfähigkeit, sich den riesigen Spielschulden zu stellen.«
    Emile Cahuzacq kriegte sich nicht ein. So einfach war es also zu lösen, das Rätsel, das von den Zeitungen als »Thriller des Sommers« angekündigt worden war? Und das sogar ohne jegliche Überprüfung, Gegenüberstellung von Zeugen, Indiziensuche, kurz, das ganze Trara des Gewerbes. Der Ruf von Kommissar Méliès ließ kaum Platz für Zweifel. Seine Argumentation war jedenfalls die einzig logisch mögliche.
    Ein Polizist in Uniform trat vor: »Es ist immer noch diese Journalistin vom Sonntagsecho da, die Sie interviewen möchte.
    Sie wartet schon seit über einer Stunde und besteht darauf …«
    »Sieht sie gut aus?«
    »Sie sieht sogar sehr gut aus. Eine Eurasierin, glaube ich.«
    »Ach? Wie heißt sie? Tschung Li oder Mang Schi-nang?«
    Der andere erwiderte: »Ganz und gar nicht. Laetitia Quelle oder so ähnlich.«
    Jacques Méliès zögerte, aber ein Blick auf seine Uhr gab den Ausschlag: »Sagen Sie dieser jungen Dame, daß es mir leid tut, aber ich habe keine Zeit mehr. Gleich kommt meine Lieblingssendung im Fernsehen: ›Denkfalle‹. Kennst du die, Emile?«
    »Vom Hörensagen, aber gesehen habe ich sie nie.«
    »Mensch, das mußt du! Das müßte ein Pflichtgehirntraining für alle Kripoleute sein.«
    »Ach, weißt du, für mich ist das zu spät.«
    Der Polizist hüstelte: »Und die Journalistin vom Sonntagsecho?«
    »Sagen Sie ihr, daß ich der zentralen Presseagentur eine Erklärung abgeben werde. Sie braucht sich bloß davon inspirieren zu lassen.«
    Der Polizist gestattete sich eine kleine Zusatzfrage: »Und haben Sie schon eine Lösung für den Fall?«
    Jacques Méliès lächelte wie ein Fachmann, der von einem zu leichten Rätsel enttäuscht ist. Er vertraute ihm jedoch an: »Es handelt sich um einen Doppelmord und einen Selbstmord, alles durch Vergiften. Sébastien Salta hat bis zum Hals in Schulden gesteckt und war fix und fertig, er wollte ein für allemal Schluß machen.«
    Daraufhin bat der Kommissar alle hinaus. Er machte persönlich das Licht aus und die Tür wieder zu.
    Der Tatort war wieder menschenleer.
    Die vom Wachs glänzenden Leichen spiegelten die roten und blauen Neonlichter wider, die auf der Straße blinkten. Die bemerkenswerte Leistung von Kommissar Méliès hatte sie jeder tragischen Aura beraubt. Ganz einfach drei Gifttote.
    Dort, wo Méliès auftauchte, war es mit der Hexerei vorbei.
    Eine Meldung im Vermischten, nichts weiter. Drei hyperrealistische Gestalten, von bunten Blitzlichtern beleuchtet. Drei Bürgerseelen, erstarrt wie die mumifizierten Opfer von Pompeji.
    Eine Art Unbehagen blieb jedoch bestehen: Die Maske vollkommenen Entsetzens, die diese Gesichter verkrampfte, schien darauf hinzuweisen, daß sie etwas viel Gräßlicheres erlebt hatten als die Ausbreitung der Lavamassen des Vesuv.
     

9. STELLDICHEIN MIT EINEM SCHÄDEL
     
    Nr. 103 683 findet sich damit ab, daß ihre Jagd vergebens war.
    Der schöne, neue Schmetterling ist nicht zurückgekehrt. Sie wischt die Spitze ihres Unterleibs mit einem Klaps ihres behaarten Beins ab und macht sich auf den Weg zum Ende des Asts, um den verlassenen Kokon einzusammeln. Diese Art Gegenstand läßt sich in einem Ameisenhaufen immer gebrauchen. Er kann als Honigamphore wie auch als tragbare Feldflasche dienen.
    Nr. 103 683 reinigt sich die Antennen und bewegt sie mit 12000 Vibrationen pro Sekunde, um in der
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