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Der Tag, an dem das UFO vom Himmel fiel

Der Tag, an dem das UFO vom Himmel fiel

Titel: Der Tag, an dem das UFO vom Himmel fiel
Autoren: David Halperin
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beides, und normalerweise merkt man ihm nicht einmal an, was es ist.
    »›Bis zur Samung‹«, sagte ich.
    »Zur Samung?«, wiederholte er.
    Er buchstabierte das Wort, und ich bestätigte. Samung. Und wunderte mich, wie ich vergessen konnte, was die Scheibe gesagt hatte, und wo das Wort nun plötzlich herkam.
    »Was soll das denn heißen?«, fragte er.
    Ich konnte nicht sagen, ob er lachen oder mir den Teufel austreiben würde, ob er mich einmal mehr zum Konvertieren bewegen wollte, damit ich nicht in der Hölle lande, wenn ich sterbe. »Bis zur Samung«, wiederholte ich und spürte das elektrische Kribbeln, das durch meine Beine und meine Oberschenkel aufstieg. Meine Hand zitterte so sehr, dass ich kaum den Hörer halten konnte.
    »Es flog nach Westen«, sagte ich. »Richtung Braxton.«
    Er antwortete nicht, und ich wusste, was er dachte. Rosa Pagliano wohnt in Braxton. Würde die Scheibe auch über ihrem Haus schweben? Würde sie zu Rosa herunterkommen und mit ihr sprechen? Sie mitnehmen? Ich dachte daran, wie sie mich im Musikunterricht angelächelt hatte, als alle dieses Lied sangen: And I’ll not marry at all, at all, and I’ll not marry at all … Und da fing ich erst richtig an zu zittern.
    »Meinst du … du weißt schon … sollte ich Rosa anrufen? Ihr Bescheid sagen? Dass sie rausgehen soll? … Vielleicht sieht sie es auch …«
    »Das wirst du nicht tun«, sagte Jeff.
    »Sei nicht gleich sauer …«
    Doch er hatte aufgelegt. Ich stand da, mit dem Hörer in der Hand und fühlte mein Herz laut schlagen, wie in sentimentalen Büchern manchmal. Nur war es real, sehr unangenehm, und ich wollte, dass es aufhörte, ich wollte wieder so sein wie
vor der Begegnung mit dem UFO, bevor ich wusste, dass es im Himmel noch anderes gibt als Mond und Planeten und Sterne, Flugzeuge und Vögel, das Normale eben, was Kinder so kennen. Ein-, zweimal hörte ich meinen Vater schreien: Könntest du endlich das verdammte Licht ausmachen und schlafen gehen? Es war wohl nur Einbildung. Mein Vater war nicht mal zu Hause. Ich konnte ihn nicht murmeln hören, im Schlaf, in seinem Bett, das er ins Arbeitszimmer gestellt hatte, weil er es nicht mehr ertrug, neben meiner Mutter zu liegen – und Licht hatte ich ganz bestimmt nicht angemacht. Ich legte den Hörer auf die Gabel. Nach ein paar Minuten nahm ich ihn wieder in die Hand. Mit zitternden Fingern wählte ich Rosa Paglianos Nummer.

KAPITEL 2
    Neunundzwanzig Tage später wurde bei uns eingebrochen. Freitagnacht, 18. Januar 1963. Ich war mit meinen Eltern zu meiner Großmutter nach Trenton gefahren, um bei ihr zu Abend zu essen und den Sabbat zu ehren, den sie nach wie vor traditionell beging, auch nachdem mein Großvater gestorben war und noch lange nachdem mein Vater und sogar meine Mutter dergleichen aufgegeben hatten. Von Kellerfield, Pennsylvania, wo wir wohnen, dauert die Fahrt etwa zwanzig Minuten.
    Um kurz nach elf kamen wir zurück. Mein Vater ging zuerst ins Haus.
    »Okay«, sagte er. »Wer von euch beiden hat die Tür offen gelassen, damit alle Welt hier reinspazieren und sich bedienen kann?«
    Ich war es nicht gewesen. Bevor wir losfuhren, hatte ich
meiner Mutter zum Auto geholfen. Sie trug zwei Pullover und ihren dicksten Wintermantel und war gegen die kalte Nachtluft noch zusätzlich in eine Decke gewickelt. Ich hatte aufgepasst, dass sie nicht auf den vereisten Stellen am Carport ausrutschte. Mein Vater schloss hinter uns ab. Oder offenbar nicht.
    Darauf wollte ich gerade hinweisen, doch dann knipste mein Vater das Küchenlicht an, und wir hatten anderes zu tun, als die Frage zu klären, wer schuld war.
    Meine Mutter blickte sich um, stieß einen kraftlosen Schrei aus und schlurfte davon, so schnell sie konnte. »Das kann ich mir nicht ansehen!«, hörte ich sie sagen. Die Küche war durchsucht worden. Wir trauten uns gar nicht nachzusehen, was die Einbrecher im Wohnzimmer angerichtet hatten, und folgten meiner Mutter ins Schlafzimmer. Hier sah es genauso aus wie in der Küche: alle Schubladen offen, der Inhalt auf dem Boden ausgekippt. Sie brach auf ihrem Bett zusammen, schluchzend, jammernd.
    »Wissen die denn nicht, dass ich krank bin?«, presste sie zwischen den Schluchzern hervor.
    Diebe sollten doch wissen, dass man ins Haus einer kranken Frau nicht einbricht. Mein Vater stand da und sah sie an, schüttelte den Kopf, mit angewidertem Ausdruck auf seinem markanten Gesicht, als wäre es ihm ein Rätsel, wie ein Einbruch eine solche Reaktion auslösen
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