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Der Tag, an dem das UFO vom Himmel fiel

Der Tag, an dem das UFO vom Himmel fiel

Titel: Der Tag, an dem das UFO vom Himmel fiel
Autoren: David Halperin
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sehen kann.
     
    »Danny!«
    Inzwischen klingt mein Vater lauter, ärgerlicher. Wie wäre es, in einem Haus zu leben, in dem es manchmal auch still und dunkel ist, in dem die Eltern ausgehen und ich allein sein könnte? Aber meine Mutter ist zu krank. Wir gehen nur noch als Familie aus, um die jüdischen Feiertage mit meiner Großmutter zu verbringen. Bevor bei uns eingebrochen wurde, haben wir kaum die Haustür abgeschlossen. Meine Mutter war – sie ist  – immer zu Hause.
    »Ja, Dad?«
    »Würdest du jetzt endlich das verdammte Licht ausmachen und schlafen gehen? Verflucht noch mal, es ist schon nach Mitternacht!«
    Und eben erst habe ich den Füller in die Hand genommen. Ich weiß, dass ich Angst haben sollte. Nicht davor, dass er mich verprügelt, wenn er hereinstürmt. Das hat er noch nie getan. Eher vor seinem blinden Zorn, den bitteren Worten, die wie Lava brennen, sodass ich danach versengt, trostlos und verzweifelt bin und nicht schlafen kann, weil ich hinzunehmen versuche, wie wir drei zusammenleben. Vor allem aber, weil er mich und alles hasst, wofür ich stehe.
    Ich fahre mit der freien Hand über mein Gesicht. Keine Pickel, zumindest keiner, der reif genug wäre, um aufgestochen
zu werden. Zum Äußersten wird es heute Nacht also nicht kommen. »Ja, Dad«, rufe ich. »Eine Minute noch.«
    Es wird weit mehr als eine Minute werden. Ich kann nicht anders. Es fließt wieder, kommt aus meinem Füller und wird mich – wenn ich folgen kann – an den Ort der Wahrheit führen, ins Herz aller Geheimnisse …
    Zitternd – vor Kälte, vor Todesangst, die über mir geschwebt hatte und nun fort war, zumindest vorerst – richtete ich mich auf. Ich bürstete Dreck und Gras von meinem dicken Mantel. Ich tastete in meiner Tasche nach den Schlüsseln und schloss die Haustür auf.
    Drinnen war es dunkel …
     
    … und totenstill, bis auf das Telefon an der Küchenwand, das laut und beharrlich klingelte. Es hatte schon geklingelt, als ich die Tür aufmachte. Meine Armbanduhr zeigte 23:37 Uhr.
    »Hallo?«
    »Danny! Alles okay bei dir?«
    Jeff Stollard. Schwer atmend drückte ich den Hörer an mein Ohr. »Hätte mich fast zerquetscht«, sagte ich, sobald ich wieder sprechen konnte.
    »Was? Was hat dich zerquetscht? Wovon redest du?«
    Meine Eltern schienen nicht zu Hause zu sein. Zum Glück. Fast konnte ich meinen Vater hören: Wissen deine Freunde denn nicht, dass man nicht mitten in der Nacht anruft …? Aber er war nicht da und meine Mutter auch nicht. Jeff und ich konnten ungestört reden, so lange wir wollten. Wie im letzten Sommer, zwischen der siebten und achten Klasse, als wir zwei Abende die Woche mit unseren Rädern losfuhren, und wenn wir nicht mehr konnten, schoben wir die Räder, keine Eltern weit und breit, bis wir alles besprochen hatten, was wir begreifen wollten. Meistens Religion. Inwiefern er sich als Baptist von mir unterschied. Inwiefern ich mich von fast allen in der Schule
unterschied. Was mit uns passiert, falls denn überhaupt irgendwas passiert, nach dem Tod.
    »Also hast du das Signal bekommen?«, fragte ich.
    »Ich sage doch, es funktioniert.«
    Noch immer hielt ich meine Schlüssel in der Hand, mit dem Delta-Sender daran. Der Sender lag in meiner Handfläche. Ich fuhr mit dem Daumen darüber. Zwei kleine Dreiecke aus Blech, die Ecken rundgedengelt und zusammengelötet, die Drähte dazwischen eingeklemmt. Es tat mir weh, wenn ich den klumpigen Lötzinn ertastete, wenn ich mich erinnerte, wie der Lötkolben in meiner Hand gezuckt und gezittert hatte. Jeffs war besser geworden, glatter. In Metallwerken war er schon immer besser als ich.
    »Aber was war der Notfall?«, fragte er.
    Ich versuchte, es ihm zu sagen. Meine Zähne klapperten. Ich musste erst ein paarmal Luft holen, bevor ich weiterreden konnte.
    »Holla«, sagte er. »Willst du mir erzählen, dieses Ding ist tatsächlich gelandet?«
    »Nein, es ist nicht gelandet! Mein Gott, wenn es gelandet wäre …«
    »Ich bin nicht dein Gott, Danny.«
    »Mann, ich meinte doch nur …«
    »Ich meinte nur, du sollst den Namen des Herrn nicht missbrauchen!«
    »Ich wäre zerquetscht worden wie ein Käfer!«, schrie ich und merkte, dass ich den Hörer anspuckte. Ich spürte, dass ich mir Strafpunkte einhandelte, durchs Telefon, weil ich hysterisch wurde. »Es kam auf mich herab«, sagte ich. »Und … und …«
    »Und?«
    »Es hat zu mir gesprochen.«
    »Wirklich? Was hat es gesagt?«

    Ernst gemeinte Frage? Sarkasmus? Jeff beherrscht
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