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Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)

Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)

Titel: Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)
Autoren: John Katzenbach
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Klingeltönen riss er den Umschlag auf und zog ein gelbes, liniertes Blatt Papier heraus.
Sehr geehrter Mr. Cowart,
ich sehe derzeit im Todestrakt meiner Hinrichtung für ein Verbrechen entgegen, DAS ICH NICHT BEGANGEN HABE.
    »Hallo?«
    Er legte den Brief weg. »Hallo, Sandy. Ich bin’s, Matt. Ich wollte nur kurz mit Becky sprechen. Ich hoffe, ich störe nicht.«
    »Hallo, Matt.« Er hörte ein Zögern heraus. »Nein, wir sind nur auf dem Sprung. Tom muss heute schon früh ins Gericht, deshalb nimmt er sie mit zur Schule, und …« Nach ein paar Sekunden sprach sie weiter. »Nein, kein Problem. Ich hab sowieso was mit dir zu besprechen. Aber die beiden müssen los. Machst du es bitte kurz?«
    Es gab ihm einen Stich, dass er nicht am Alltag seiner Tochter teilnahm, und er stellte sich vor, wie er beim Frühstück die Milch eingoss, ihr abends etwas vorlas, ihr die Hand hielt, wenn sie krank war, die Bilder bewunderte, die sie in der Schule zeichnete. Er schluckte seine Enttäuschung herunter. »Klar, wollte mich einfach nur melden.«
    »Ich hol sie.«
    Mit leisem Klirren landete der Hörer auf dem Tisch, und in der danach eintretenden Stille starrte Matthew Cowart auf die Worte: DAS ICH NICHT BEGANGEN HABE.
    Er erinnerte sich an den Tag, an dem er und seine Frau sich im Zeitungsbüro der Universität Michigan zum ersten Mal begegnet waren. Sie war klein, doch ihre starke Präsenz stand zu ihrer zierlichen Gestalt in seltsamem Widerspruch. Sie studierte Grafikdesign und kümmerte sich in Teilzeit um Layout sowie um die Umbruchkorrekturen. Wenn sie über den Abzügen brütete, strich sie sich das gewellte dunkle Haar aus dem Gesicht und war so konzentriert bei der Sache, dass sie nur selten das Telefon klingeln hörte oder auf einen der schmutzigen Witze reagierte, die in der ausgelassenen Atmosphäre der Nachrichtenredaktion die Runde machten. Sie war ein Mensch, der Präzision und Ordnung liebte und seinem Leben mit dem spitzen Stift Kontur verlieh. Die Tochter eines Feuerwehrhauptmanns in einer Stadt im Mittleren Westen, der bei einem Einsatz umgekommen war, und einer Grundschullehrerin sehnte sich nach materiellem Wohlstand und Komfort. Er fand sie schön, wenn er sich auch von ihren Erwartungen einschüchtern ließ und es kaum glauben konnte, als sie seine erste Einladung annahm; sein Glück nicht fassen konnte, als sie nach dem zehnten oder elften Date mit ihm schlief.
    Er war zu jener Zeit Sportredakteur, in ihren Augen eine törichte Zeitverschwendung. Muskelbepackte Männer in grotesker Aufmachung, die um runde oder ovale Bälle kämpfen, lautete einer ihrer Sprüche. Er hatte versucht, ihr die Magie von Sportereignissen nahezubringen, doch sie schien dagegen immun. Sie waren schon längst ein Paar, als er zu den richtigen Nachrichten wechselte, der richtig guten Story hinterherjagte, dem Reiz des Schreibens erlag. Sie hatte an seinen künftigen Ruhm, seine bedeutende Journalistenkarriere geglaubt und war ihm, als er seine erste Stelle bei einem kleinen Blatt im Mittleren Westen antrat, gefolgt. Sechs Jahre später lebten sie immer noch zusammen. An dem Tag, an dem sie ihm eröffnete, sie sei schwanger, bekam er das Angebot vom Journal – er sollte Gerichtsreporter, sie Mutter werden.
    »Daddy?«
    »Hi, Schätzchen.«
    »Hi, Daddy. Mommy sagt, ich kann nur kurz mit dir reden. Ich muss zur Schule.«
    »Ist es bei euch auch so kalt? Dann ziehst du besser eine Jacke an.«
    »Mach ich auch. Tom hat mir eine mit einem Piraten drauf geschenkt, der ist ganz orange, so wie der bei den Bucs. Die zieh ich an. Ich treffe sogar ein paar von den Spielern. Die waren bei einem Picknick, wo wir Spenden gesammelt haben.«
    »Ist ja toll«, antwortete Matthew. Verdammt, dachte er.
    »Sind Footballspieler wichtig, Daddy?«
    Er lachte. »Ja, schon.«
    »Daddy, hast du irgendwas?«
    »Nein, Schatz, wieso?«
    »Weil … sonst rufst du nie morgens an.«
    »Als ich aufwachte, hast du mir gefehlt, und ich wollte deine Stimme hören.«
    »Du fehlst mir auch, Daddy. Gehst du noch mal mit mir nach Disney World?«
    »Im Frühling, versprochen.«
    »Daddy, ich muss los. Tom winkt mir zu. Ach so, Daddy, weißt du was? Wir haben in der zweiten Klasse einen eigenen Club, der heißt der Hundert-Bücher-Club. Du kriegst einen Preis, wenn du hundert Bücher gelesen hast. Ich hab’s geschafft!«
    »Phantastisch! Und was bekommst du?«
    »Eine Medaille und am Ende des Schuljahrs eine Siegerehrung.«
    »Das sind ja großartige Neuigkeiten. Und
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