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Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)

Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)

Titel: Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)
Autoren: John Katzenbach
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mit. »Wie dem auch sei, Todesurteile sind in Florida inzwischen ein alter Hut. Wir haben derzeit …« Sie zögerte und legte den Kopf in den Nacken, als suchte sie die Antwort an der Zimmerdecke. »… über zweihundert Männer im Todestrakt. Der Gouverneur unterzeichnet jeden Monat ein paar Vollstreckungsbefehle. Das heißt zwar immer noch nicht, dass sie wirklich dran sind, nur …« Sie sah ihn mit einem Lächeln an. »Aber da sag ich Ihnen schließlich nichts Neues, Matt, Sie haben letztes Jahr doch all diese Leitartikel geschrieben. Todesurteile in einer zivilisierten Nation und so, stimmt’s?«
    »Ja. Meine Argumentation lief im Wesentlichen darauf hinaus, dass wir keinen staatlich sanktionierten Mord dulden sollten. Drei Leitartikel, im Ganzen vielleicht vierhundert Zeilen. Im Gegenzug haben wir über fünfzig Leserbriefe abgedruckt, die – wie soll ich sagen – meiner Position widersprachen. Die fünfzig haben wir aus der Protestflut herausgesucht. Die freundlichsten machten den schlichten Vorschlag, mich auf einem öffentlichen Platz zu köpfen. Die fiesen brachten einiges mehr an Phantasie auf.«
    Die Bibliothekarin lächelte. »Ist nicht unsere Aufgabe, uns lieb Kind zu machen. Soll ich die für Sie ausdrucken?«
    »Ja, bitte. Aber ich fände es schöner, geliebt zu werden …«
    Sie grinste und wandte sich zum Computer um. Erneut flogen ihre Finger über die Tasten, und schon surrte der Drucker in der Ecke und ratterte, während er die Artikel ausspie. »Das hätten wir. Verfolgen Sie eine bestimmte Fährte?«
    »Möglich«, erwiderte Cowart und nahm den Stoß Blätter heraus. »Ein Kerl, der beteuert, er wäre es nicht gewesen.«
    Die junge Frau lachte. »Also, das wäre ja wirklich interessant. Und mal was Neues.« Damit drehte sie sich wieder zu ihrem Monitor um, und Cowart kehrte in sein Büro zurück.

    Die Ereignisse, die Robert Earl Ferguson in den Todestrakt gebracht hatten, nahmen nach und nach Gestalt an, als Cowart die Berichterstattung zu dem Fall las. So dürftig die Ausbeute des Archivs auch war, half sie ihm dennoch, sich nach und nach ein Bild von dem Mann zu machen. Er erfuhr, dass es sich bei dem Opfer um ein elfjähriges Mädchen gehandelt hatte und dass ihre Leiche am Rand eines Sumpfs unter dichtem Gestrüpp gefunden worden war.
    Es war nicht schwer, sich das schmutzig grünbraune Laub vorzustellen, unter dem sich die Leiche verbarg – ein schlammiger, stinkender Ort, ein Ort der Verwesung, ein passender Ort, um den Tod zu finden.
    Er las weiter.
    Das Opfer war die Tochter eines Mitglieds des örtlichen Stadtrats, und sie war das letzte Mal auf dem Heimweg von der Schule gesehen worden. Cowart sah ein weitläufiges, einstöckiges, gemauertes Haus vor sich, das abgeschieden inmitten staubiger Wiesen stand. Wahrscheinlich war es blassrosa gestrichen oder in diesem schmutzigen Oliv, das gemeinhin von Ämtern bevorzugt wurde und das auch die fröhlichen, übermütigen Kinderstimmen am Ende eines Schultags nicht aufheitern konnten. In einem solchen Moment hatte eine der Lehrerinnen beobachtet, wie sie in einen grünen Ford mit Kennzeichen aus einem anderen Bundesstaat stieg. Wieso hatte sie das getan? Was hatte sie dazu gebracht, bei einem Fremden einzusteigen? Bei dem bloßen Gedanken bekam er eine Gänsehaut, weil er seine eigene Tochter vor sich sah. Sie würde das niemals tun, sagte er sich im selben Moment. Als das kleine Mädchen nicht nach Hause kam, hatte die Familie Alarm geschlagen. Cowart wusste aus Erfahrung, dass die lokalen Fernsehsender an diesem Abend ihr Bild in den Abendnachrichten gesendet haben mussten: ein Kind mit Pferdeschwanz, bei dem beim Lachen eine Zahnspange aufblitzte. Ein heiteres, hoffnungsfrohes Familienfoto, im Dienste der Quote ausgeschlachtet, um die Verzweiflung in die Haushalte zu tragen.
    Über vierundzwanzig Stunden später hatte die Polizei bei einer systematischen Suche in der weiteren Umgebung ihre sterblichen Überreste entdeckt. Der entsprechende Artikel war mit Floskeln gespickt: »brutaler Überfall«, »hemmungsloser Angriff«, »fürchterlich zugerichtete Leiche«, die klassische journalistische Verkürzung; statt die Qualen des Kindes im Einzelnen zu beschreiben, hatte sich der Verfasser einer Reihe bequemer Klischees bedient.
    Es musste ein entsetzlicher Tod gewesen sein. Die Menschen wollten zwar wissen, was passiert war, aber gar zu genau nun auch wieder nicht, denn sonst raubte es ihnen vielleicht den Schlaf.
    Er las weiter. Allem
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