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Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)

Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)

Titel: Der Sumpf: Psychothriller (German Edition)
Autoren: John Katzenbach
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nicht«, hatte Hawkins jedes Mal zum Abschied gesagt. »Und wenn du dir nicht merken kannst, was ich dir über die Straße gesagt habe, dann stell dir deine eigenen Regeln auf und richte dich danach.« Sie hatten gelacht. Schließlich hatte er ihn im Krankenhaus besucht, war heimlich vor Dienstschluss aus der Redaktion verschwunden, um mit dem Detective Geschichten auszutauschen, bis er Hawkins eines Tages im Koma unter einem Sauerstoffzelt vorfand und nicht wusste, ob der schwerkranke Mann ihn hören konnte, als er seinen Namen flüsterte, oder etwas spürte, als er seine Hand nahm. Eine ganze Nacht lang hatte er an seinem Bett gesessen und am Ende nicht sagen können, wann genau sein alter Weggefährte hinübergegangen war. Der Beerdigung hatte er zusammen mit ein paar anderen Polizeiveteranen beigewohnt. Ein mit einer Flagge geschmückter Sarg, ein paar Worte von einem Priester. Keine Ehefrau, keine Kinder. Keine Tränen. Nur Alpträume aus einem langen Berufsleben, die am Ende langsam mit ihm in die Erde versenkt wurden. Er fragte sich, ob es so ähnlich sein würde, wenn er starb.
    Ich wüsste gerne, was aus dem Jungen geworden ist, dachte er. Wahrscheinlich längst aus der Jugendstrafanstalt entlassen und wieder auf der Straße. Oder in der Zelle neben dem Verfasser des Briefs im Todestrakt. Oder tot.
    Er betrachtete den Brief.
    Wenn überhaupt, war das der Stoff für eine Reportage und nicht für einen Leitartikel. Er sollte ihn an einen Kollegen der Lokalredaktion weitergeben. Das ist nicht mehr mein Aufgabenbereich. Ich vertrete Meinungen. Ich schreibe mit kühlem Kopf, im Namen der Redaktion, die sich darauf verständigt, wie man Stellung bezieht.
    Er hatte sich schon halb von seinem Platz erhoben, um genau das zu tun, hielt jedoch plötzlich inne.
    Ein unschuldiger Mann.
    Er versuchte, sich bei all den Verbrechen und Prozessen, über die er Bericht erstattet hatte, an einen einzigen wirklich unschuldigen Mann zu erinnern. Sicher, er hatte eine beträchtliche Zahl Freisprüche erlebt oder Fälle, bei denen es aus Mangel an Beweisen gar nicht erst zur Anklageerhebung kam, schließlich auch Verfahren, die dank der Eloquenz eines Verteidigers oder einer stümperhaften Anklagevertretung nicht zur Verurteilung führten. An jemanden, der wirklich unschuldig war, erinnerte er sich nicht. Einmal hatte er Hawkins gefragt, ob er je einen Tatverdächtigen festgenommen habe, der sich tatsächlich als unschuldig erwies, und Hawkins hatte gelacht. »Jemand, der es wirklich nicht gewesen ist? Sicher, jeder hat ein paar Fälle, bei denen er Mist baut. Da draußen laufen eine Menge Leute rum, die hinter Gitter gehören. Aber jemanden hochnehmen, der wirklich unschuldig ist? Das ist das Schlimmste, was einem passieren kann. Ich weiß nicht, ob ich damit leben könnte. Nee, mein Lieber, das wär das Einzige, was mir schlaflose Nächte bereiten würde.«
    Er hielt den Brief in der Hand: DAS ICH NICHT BEGANGEN HABE. Gibt es jemanden, fragte er sich, dem Robert Earl Ferguson schlaflose Nächte bereitet?
    Plötzlich hatte er dieses Kribbeln im Bauch. Falls das wahr ist … Er würgte den Gedanken ab und kämpfte gegen den Anflug von Ehrgeiz an.
    Cowart kam ein Interview mit einem Basketballspieler in den Sinn, das er vor Jahren gelesen hatte. Der Mann hatte es geschafft, nach einer langen Karriere im richtigen Moment in Würde abzutreten. Der Mann hatte seine Erfolge und seine Niederlagen im selben Atemzug erwähnt, als betrachte er beide mit derselben abgeklärten Haltung. Auf die Frage, wieso er beschlossen habe, aufzuhören, hatte er ausführlich über seine Familie und seine Kinder gesprochen und die Einsicht, dass er das Spiel seiner Kindheit hinter sich lassen müsse, um in seinem Leben ein neues Kapitel aufzuschlagen. Dann hatte er seine Beine erwähnt – als wären sie nicht einfach nur ein Teil seines Körpers, sondern gute alte Freunde. Er könne nicht mehr so gut springen wie früher; wenn er jetzt vor dem Korb zum Sprung ansetze, bereiteten ihm dieselben Muskeln, die ihn früher mühelos in die Höhe schnellen ließen, Schmerzen, und sie gäben ihm unmissverständlich zu verstehen, dass sie für den Sport zu alt geworden seien. Wenn aber seine Beine nicht mehr so wollten wie er, hatte er betont, sei es töricht, weiterzumachen. Anschließend war er zu seinem letzten Spiel hinausgegangen und hatte mit geschmeidiger Eleganz achtunddreißig Punkte erzielt, indem er so wie in früheren Jahren mühelos die Stellung
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