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Der Sucher (German Edition)

Der Sucher (German Edition)

Titel: Der Sucher (German Edition)
Autoren: Katja Brandis
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ihr einfach gesagt, dass sie es tun soll, und damit wäre die Sache erledigt gewesen. Aber in letzter Zeit bildet sie sich ein, dass sie alleine entscheiden kann. Also habe ich dafür gesorgt, dass Hetta oft in ihrer Nähe ist und sich als Liebenswürdigkeit in Person zeigt. Sie ist in der Burg aufgezogen worden, kennt die Wege der Macht. Die Alte muss blind sein, wenn ihr nicht klar wird, dass sie die beste Anwärterin ist. Natürlich haben auch die Hohen Räte der Gilden ihre Mädchen geschickt, aber bisher ist keine ernsthafte Konkurrenz in Sicht.«
    »Weiß die Alte, dass Hetta deine Tochter ist?«
    »Ja, natürlich. Sie kennt mich schon zu lange. Aber ich sehe nicht, dass es einen Unterschied macht. Sie hat keine weiblichen Verwandten, bis auf diese Nichte, die wir früh genug aus dem Weg geschafft haben. Sie wird Hetta wählen, dafür werden wir schon sorgen.«
    Mi‘raela ließ den Kopf auf die Pfotenhände sinken und döste ein. Das Gespräch langweilte sie. Was interessierte sie es, wer die nächste Regentin wurde? Was ging es sie an, was die Menschen untereinander ausheckten? Auch die nächste Regentin würde Halbmenschen versklaven wie alle Regentinnen vor ihr, und sich zu wehren, war unmöglich. Es gab keine Hoffnung. Nirgendwo.

Sehen lernen
    Ich merkte schnell, was es bedeutete, Lehrling beim berüchtigtsten Sucher Dareshs zu sein. Und mir wurde bald klar, dass Udiko sich seinen Ruf verdient hatte. Am nächsten Tag, nachdem ich meine Lehre begonnen hatte, wagte ein Dörfler aus einem Nachbarsee, wegen eines verlorenen Armreifs zum Großen Udiko zu kommen. Schüchtern erklärte er, dass ihm das Ding beim Gewitter neulich über Bord gegangen war.
    »Bei allen sieben Göttern der Tiefe, wegen so was wagt Ihr, mich zu stören? Habt Ihr nicht gehört, dass ich mich zur Ruhe gesetzt habe?«, knurrte Udiko und warf den armen Mann einfach raus.
    Demnach schien zu stimmen, dass er nur noch praktisch unmögliche Aufträge annahm. »Wieso habt Ihr mich‘s nicht einfach machen lassen?«, wagte ich einzuwenden. »Der Armreif scheint ihm sehr wichtig zu sein. Und wahrscheinlich hätte ich das Ding schnell gefunden.«
    Udiko schnaubte. »Das ist der Nachteil, wenn man einen Lehrling hat, der zwei Winter älter ist als üblich«, brummte er und stapfte in den Wohntrakt zurück. »Je älter, desto mehr Widerworte!«
    Fast hätte ich ihn daran erinnert, dass ich zwar versprochen hatte, ihm in allen Dingen zu gehorchen – aber nicht, ohne Fragen zu stellen. Doch dann hielt ich lieber den Mund. Der Alte sah so aus, als würde er unsere Muschel bei meinem nächsten dummen Spruch mit einem Fußtritt in zwei Dutzend Teile zerlegen.
    Am Nachmittag schickte Udiko mich aus, Blaue Tarlas zu sammeln. Das gehörte von nun an zu meinen Aufgaben. Ich beeilte mich dabei und packte die Ernte in eine Sammeltasche, während mein Salamander zu seiner Lieblingsstelle auf meiner Schulter hochkroch. Normalerweise kehren Botentiere, die eine Nachricht überbracht haben, zu ihrem Händler zurück, sodass er ihre Dienste wieder und wieder anbieten kann. Doch der Salamander hatte anscheinend entschieden, dass er lieber bei mir leben wollte.
    Als ich mich von dem anstrengenden Tieftauchen erholt hatte, schwamm ich in Richtung des Dorfs. Wenn ich mich beeilte, war der Mann mit dem verlorenen Schmuckstück vielleicht noch in der Gegend.
    Ich fand ihn in einer Schänke, die fünf Menschenlängen tief im Flachwasser eines Nachbarsees stand. Trübsinnig starrte der Mann in seinen Krug Polliak. Die anderen Besucher blickten mich neugierig an, als ich hereinkam. Würde einer von ihnen mich bei Udiko verpetzen?
    »Wer zum Brackwasser bist du?«, fragte der Fremde misstrauisch, als ich mich neben ihn auf den Boden setzte.
    »Das tut nichts zur Sache«, sagte ich schnell. »Ich bin hier, um Euch zu helfen. Wie sieht dieser Armreif aus, den Ihr verloren habt, und wo genau ist er Euch ins Wasser gefallen?«
    »W-wenn du ihn stehlen willst, wirst du kein Glück haben«, lallte der Mann. »Er ist irgendwo in der Mitte des Sees, da, wo es am tiefsten ist ... Der ist weg ... Verdammtes Pech ...«
    Ich schaute mir die drei leeren Polliak-Krüge an, die neben ihm auf dem niedrigen Tischchen standen. Drei, beim Brackwasser! Bei einer wilden Feier mit Jarco hatte ich mal einen geschafft, danach einen kompletten Sonnenumlauf geschlafen und einen so hässlichen Hautausschlag bekommen, dass ich mich bis zum nächsten Vollmond nicht unter Menschen gewagt hatte.
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