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Der Stierkampf

Der Stierkampf

Titel: Der Stierkampf
Autoren: Yasushi Inoue
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und Humor. Und er war, das darf man wirklich sagen, dabei erfolgreich. Seine Zeitung wurde sowohl von Angestellten wie von Studenten der Städte Kyoto, Osaka und Kobe als ein angenehm aus dem Rahmen fallendes Abendblatt begrüßt und war im Straßenverkauf als erste Zeitung vergriffen. Für das Publikum, das sich während der Kriegsjahre an eine Presse von recht niedrigem Niveau hatte gewöhnen müssen, besaß dieses Blatt ohne Zweifel den Reiz des erfrischend Neuen. Auf der Rezensionsseite einer Universitätszeitung stand einmal die Kritik eines jungen, nach Kriegsende repatriierten Professors der Rechtswissenschaf an der Universität Kyoto, darin wurde Tsugamis Abendzeitung als eine Intellektuellenzeitung von BoulevardFormat bezeichnet. Das traf bis zu einem gewissen Grad wohl auch zu. Ein sensibler Dichter hätte in dieser bei den Intellektuellen der Städte beliebten Zeitung sicher eine fast zu sorglose Nonchalance, einen Hauch von Nihilismus und Isolation erspüren können, und diese Eigenschafen kennzeichneten in gewissem Umfang auch den verantwortlichen Redakteur.
    Der Mensch nun, welcher Tsugamis Wesen am klarsten durchschaut hatte, war Sakiko, die seit Kriegszeiten über drei Jahre hin mit ihm zusammengelebt und sich wieder von ihm getrennt hatte, und die dieses hoffnungslose Verhältnis bis heute weiterführte, obgleich sie of genug von ihrem endgültigen Entschluß sprach, ihn für immer zu verlassen.
    »Niemand kennt die verschlagene, unsolide, gemeine Seite deines Wesens! Nur ich! Ich allein!« So sagte sie of, wenn sie in guter Stimmung war. Dann funkelten und blitzten ihre Augen, als seien sie gleichsam die Narben ihrer Liebe zu Tsugami. Aber hin und wieder klangen diese Worte als harter und kalter Tadel.
    Tsugami hatte eine Frau und zwei Kinder, die er während des Krieges in seine Heimat, die TottoriPräfektur, evakuieren ließ. Sakikos Mann, ein Studienfreund von Tsugami, fiel im Kriege, doch war seine Asche noch nicht in die Heimat zurückgebracht worden. Tsugami und Sakiko setzten ihre Beziehungen, die sie während der Kriegsjahre begonnen hatten, auch nach der Kapitulation unverändert fort; seine Kollegen, deren flinken Augen doch sonst nichts entging, hatten davon nichts bemerkt, aber Sakiko glaubte manchmal, daran sei nur Tsugamis Durchtriebenheit schuld. Etwa ein Jahr, nachdem Sakiko offiziell Nachricht von dem Tod ihres Mannes erhalten hatte, trat sie zu Tsugami in intimere Beziehungen. Sie suchte ihn eines Tages zu Hause auf, um in einer Sache seinen persönlichen Rat zu erbitten. Es war ein Sommerabend. Tsugami war eben erst aus der Redaktion zurückgekommen. Als sie um die ihr schon bekannte Veranda des Hauses herumgegangen war, erblickte sie ihn, wie er, nachlässig den Hut nach hinten geschoben, bequem auf dem Korbstuhl saß und ein Glas Whisky in der Hand hielt.
    Er erhob sich sofort, als er Sakiko entdeckte, strich auch gleich die Falten seines Rockes zurecht und war der korrekte, würdevolle Tsugami, wie man ihn allgemein kannte. Aber Sakiko spürte plötzlich, wie in ihrem Körper eine heiße Leidenschaf erwachte, ein Verlangen, wie sie es seit Jahren nicht mehr verspürt hatte. Die leicht in sich zusammengesunkene Gestalt Tsugamis, die ungeheure Müdigkeit verriet, erweckte den Eindruck großer Einsamkeit, strahlte aber auch eine Sinnlichkeit aus, die Sakikos Begehren unerklärlich erregte. Auch nachdem ihr Verhältnis seit dieser Stunde sehr viel intimer geworden war, dachte Sakiko, sobald sie sich hieran erinnerte, daß sie gerade diesen allen anderen Menschen unbekannten Tsugami liebte, dessen einsame Seele gleichsam zerfressen war und Phosphorlicht aussandte. Tsugamis Liebe war keine glühende, aus dem Innersten seines Wesens hervorbrechende Leidenschaf. Da war nur gleichsam ein Docht, der nie ganz zu Ende brannte. Auch wenn sich Sakiko ihm vollkommen und bedingungslos hingab, spürte sie bei ihm eine Kluf, die zuzuschütten ihr, wie sie glaubte, nie gelingen würde. Tsugami befand sich seiner Augen wegen, die sich durch das Herz und den Körper der dreißigjährigen Sakiko nicht begeistern ließen, stets in einer gewissen Spannung. Das waren nicht die Augen eines Menschen, der liebte, aber auch nicht die eines Mannes, der Sakiko roh beiseite stieß. Es waren Augen, die wie unbeteiligt alles aus einer Distanz betrachteten und daher unerträglich frisch und kalt wie die eines Fisches waren.
    Immer wenn Sakiko mit dieser einen Seite Tsugamis in Berührung kam, dieser Seite, die
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