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Der Sternenwald

Der Sternenwald

Titel: Der Sternenwald
Autoren: Kevin J. Anderson
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Generationen gar nichts mehr von ihrer Herkunft.
    Die Ildiraner des Mediziner-Geschlechts beendeten ihre Vorbereitungen und zogen gleichzeitig ihre Messer. Ein leises Surren erklang dabei, kündete von scharfen Schneiden. Die Zuschauer wurden sofort still und standen so reglos wie Statuen.
    Jora’h atmete tief durch, öffnete sein Selbst und streckte mentale Hände nach den losen Fäden des Thism aus, bereit dazu, sie zu einem neuen Gespinst zu verknüpfen, das das ildiranische Volk wieder vereinte. Er wusste, dass es wehtun würde – der Schmerz gehörte zum Ritual. Er holte erneut Luft…
    Der Schnitt war schnell und sicher und die gleißende Explosion hinter seinen Augen half ihm, die Gedanken auszurichten, das eigene Bewusstsein auf eine neue Ebene zu heben und die perfekte Sphäre der Lichtquelle zu sehen. Jora’hs Gedanken wurden zu einem Projektil.
    Er stieß einen schmerzerfüllten, vom Verlust geprägten Schrei aus, doch gleich darauf schnappte er verblüfft nach Luft. Ganz deutlich sah er die Pfade des Thism, die goldenen Seelenfäden, die ihn umgaben, ohne miteinander verbunden zu sein.
    Er griff nach ihnen und zog sie näher, verknüpfte sie zu einer wundervollen Tapisserie. Jora’h straffte die Stränge und begann damit, die Leben von Abermilliarden Ildiranem aller Geschlechter miteinander zu verbinden. Gleichzeitig wandte er sich nach hinten, in Richtung Vergangenheit, glättete den Stoff der Geschichte und des Wissens. Sein eigenes Wissen. Die Wahrheit.
    Die Ärzte arbeiteten schnell, während Jora’h wie gelähmt im Sessel lag, überwältigt vom Wissen, das in sein Selbst strömte. Sie stillten die Blutung, schlossen den Schnitt und brachten fort, was abgeschnitten worden war.
    Mit seinem unglaublichen Zugang zum kollektiven ildiranischen Geist und zu den Erinnerungen aller seiner Vorgänger sah Jora’h die Komplexität der Pläne und Strategien, die sein Vater und die Weisen Imperatoren vor ihm entwickelt und verfolgt hatten. Jetzt verstand er.
    Die rituelle Kastration war ein geringer Preis für diese Offenbarungen. Die Myriaden ineinander verschachtelter Pläne… Jora’h empfand sie als atemberaubend.
    Die Ildiraner im Empfangssaal seufzten erleichtert; einige von ihnen jubelten sogar. Jora’h hörte es kaum. Sein Volk – alle Ildiraner des Reiches – fühlte sich wieder eins. Tief in ihrem Inneren spürten alle Geschlechter, dass wieder ein Weiser Imperator auf dem Thron saß, dass das Thism intakt war und allen Sicherheit gewährte. Die Lichtquelle schien wieder hell auf die Ildiraner.
    Alles war so, wie es sein sollte.
    Es fiel Jora’h schwer, sich ein Gefühl für das eigene Selbst und seine Sterblichkeit zu bewahren. Eine Offenbarung nach der anderen senkte sich auf ihn herab, schneller als er sie verarbeiten konnte. So viel war vor ihm verborgen gewesen! So viele Gründe, so viele schreckliche Notwendigkeiten! Ihn schwindelte, als er im Chrysalissessel lag, wie gelähmt und unfähig dazu, auch nur einen Ton hervorzubringen.
    Schließlich blickte Jora’h hilflos in die Menge und begriff, dass auch ihm keine Wahl blieb.

130 CESCA PERONI
    Zwar gab es im Asteroidenhaufen Rendezvous weder Tag noch Nacht, aber die Roamer folgten einem dem irdischen Standard entsprechenden Aktivitäts- und Ruhezyklus. Das Licht in den Korridoren war gedämpft. Raumschiffe trafen rund um die Uhr ein und Dockingcrews arbeiteten die ganze Zeit über, entluden Fracht und begrüßten Besucher.
    Dennoch war es während gewisser Stunden des Nachtzyklus sehr ruhig und friedlich. Wenn Sprecherin Cesca Peroni nicht schlafen konnte, fand sie oft Trost darin, durch die Tunnel von einem Asteroiden zum nächsten zu wandern. Ihre Gedanken reichten weiter, als die Füße sie tragen konnten. Die meisten Türen der Privatquartiere waren geschlossen und über ihnen glühte mattes Standby-Licht. Nichts regte sich, als Cesca an ihnen vorbeiging, den Blick nach vorn gerichtet, die Gedanken in Aufruhr.
    Als Sprecherin wurde sie ständig mit Problemen konfrontiert, die meisten von ihnen eher banal. Andere aber waren ernster Natur, erforderten geduldige Verhandlungen und die Fähigkeit, zahlreiche innovative Alternativen in Erwägung zu ziehen.
    Am vergangenen Nachmittag hatte sie sich offiziell mit einem strahlenden und vollkommen unerschütterten Kotto Okiah getroffen, der ihr bei jener Gelegenheit neue Pläne vorlegte. Erst vor einer Woche war die Kolonie auf Isperos Opfer der Lava geworden und Kottos Gesicht zeigte noch
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